Rezension

Ein beklemmender Blick in ein wahnhaftes Hirn in einer Abwärtsspirale

In der Schlinge des Hasses -

In der Schlinge des Hasses
von Herbert Dutzler

Bewertet mit 5 Sternen

Mit „In der Schlinge des Hasses“ gelingt Herbert Dutzler ein literarisches Kunststück, das seinesgleichen sucht: Zugleich authentisch, zutiefst verstörend und emotional mitreißend gewährt er einen tiefen Einblick in die Gedankenwelt eines rechtsextremen Mörders während seines Abstiegs in die vollständige Verblendung. Ein Sog, dem man sich nicht entziehen kann!

 

Leo ist Mitglied einer rechten Burschenschaft, studiert Jura und lebt bei seiner alkoholkranken Mutter, die er verabscheut. Den verstorbenen Vater, der ihn zu einem strammen Neonazi zu erziehen versuchte, himmelt er an, trotz des Missbrauchs, den er als Kind durch ihn erfuhr – physische und psychische „Disziplinierung“ waren für ihn und seine Mutter an der Tagesordnung. Als erwachsener Mann sucht Leo ein Ventil für die aufgestauten Emotionen und findet es in einem stetig zunehmenden wahnhaften Hass auf Menschen anderer Herkunft, gepaart mit einer Art verklemmter Misogynie. Tiefer und tiefer rutscht Leo in eine Abwärtsspirale aus Hass, Gewalt und Paranoia, verbunden mit einem bizarren Überlegenheitsgefühl gegenüber der Welt um ihn herum und der Polizei. Als seine kroatischstämmige Kommilitonin Marinca beginnt, sich für ihn zu interessieren, bekommt er die Chance, sich daraus zu befreien, aber ist es dafür nicht schon zu spät?

 

Mit Leo hat Herbert Dutzler einen durch und durch unsympathischen Charakter erschaffen. Dadurch wird es umso beeindruckender, dass es ihm im Laufe des Romans gelingt, so etwas wie Mitgefühl für ihn bei der Leserschaft zu erzeugen. Die Rückblenden in Leos Kindheit zeigen deutlich die vielen Kreuzungen, an denen etwas anders hätte laufen können, an denen jemand hätte eingreifen und Leo unter Umständen retten können – und thematisieren damit auch die gesellschaftliche Verantwortung für eine solche Radikalisierung. „In der Schlinge des Hasses“ ist ein Buch, das man aushalten muss, denn man kommt nicht weg aus der Innenperspektive von Leo, muss sich mit seinen irrsinnigen Gedankengängen auseinandersetzen. Der Roman liefert keine Entschuldigungen oder Ausflüchte, aber Erklärungen. Er nimmt seinen radikalen Protagonisten nicht aus der Verantwortung, zeigt aber das gesamte Bild, in dem deutlich wird, dass eine Radikalisierung nicht ohne das Zutun anderer stattfindet. All das gelingt Dutzler, ohne auf graphische Schockmomente zu setzen, denn das Schockierende ist nicht die stattfindende Gewalt, sondern das, was im Kopf des Protagonisten vorgeht. Trotz dieser strikten Innenperspektive bleibt die Spannung kontinuierlich erhalten, und der Text entwickelt eine regelrechte Sogwirkung, der man sich nicht entziehen kann.

 

Eine beeindruckende, emotional fordernde und betroffen machende Charakterstudie, die tief berührt und aufwühlt. Dieses Buch lässt sich nicht so einfach vergessen!