Rezension

Ein bisschen von allem und doch was ganz Neues!

Der letzte Traumwanderer - Christoph Lode

Der letzte Traumwanderer
von Christoph Lode

Pro:
Schon lange hat mich kein Buch mehr so begeistert wie dieses! Hinter dem malerischen Cover verbergen sich eine unglaublich faszinierende Welt, eine spannende Geschichte und glaubhafte, lebensechte Charaktere, die einem lange im Gedächtnis bleiben.

"Der letzte Traumwanderer" ist eine dichte, atmosphärische Mischung aus Steampunk, Fantasy, Mystery, Abenteuer... Und der Autor stückelt nicht einfach nur bekannte Dinge aus diesen Genres zusammen, sondern gibt jedem Bruchstück ein ganz eigenes Flair mit originellen Ideen. Das Ergebnis ist kreativ, komplex und vielschichtig, und es wird detailliert und überzeugend geschildert!

Immer, wenn man denkt: ok, jetzt weiß ich alles über diese Welt, schüttelt der Autor noch etwas Neues aus dem Ärmel. Schlammtaucher, Blitzjäger, Ghule, Alben, Traumwanderer, Dämonen, ätherbetriebene Luftschiffe... Man erfährt vieles über die Gesellschaftsstrukturen und die Politik dieser Welt, die Technik, die Magie, die Geschichte, die Völker - dieser Detaillreichtum hätte ermüdend wirken können, aber der Autor präsentiert ihn mit einer Leichtigkeit und Lebendigkeit, dass man mitten in diese Geschichte gesogen wird und die Geschehnisse fast schon eher lebt als liest.

Ich habe öfter gedacht: wow, das ist so GUT! Warum habe ich vorher noch nichts davon gehört?

Ich hatte das Buch schneller durch, als mir lieb war - ich hätte auch die doppelte und dreifache Anzahl der Seiten verschlungen! Ich fand die Geschichte durchweg spannend, und auch die Charaktere haben mich immer bei der Stange gehalten. Es gibt relativ viele Charaktere, aber die Geschichte konzentriert sich vor allem auf eine Handvoll davon, so dass es für mich nie zu verwirrend wurde.

Am wichtigsten sind sicher Jackon und Liam, die beiden jugendlichen Protagonisten, die beide auf ihre Art sympathisch und interessant sind.

Jackon ist ein etwas zwiespältiger Charakter. Er meint es eigentlich immer gut, und er hatte ein schweres Leben - aber es deutet sich sich in diesem Buch schon leise an, dass er nicht taub ist für den Lockruf der Macht. Sein ganzes Leben lang hat er Geschichten darüber gehört, wie böse und verdorben Lady Sarka ist, aber es fällt ihm immer schwerer, das zu glauben... Was man ihm noch nicht einmal übel nehmen kann! Nach einem entbehrungsreichen Leben voller Gefahr und Hunger würden wohl die meisten von uns dem Menschen vertrauen, der uns zum ersten Mal Nahrung, Komfort und Zuwendung schenkt.

Es kam mir vor, als balanziere Jackon auf einem Drahtseil - jederzeit in Gefahr, zu stürzen und sich selbst zu verlieren, aber sich dessen nicht einmal bewusst.

Liam ist dagegen ein weniger zerissener Held - er ist mutig und entschlossen, den letzten Wunsch seines Vaters zu erfüllen. Aber auch er hat seine Ecken und Kanten und kam mir vor wie direkt aus dem Leben gegriffen.

Zu den beiden Jungen gesellt sich noch Vivana, die junge Halb-Manusch, die zwischen zwei Kulturen steht. Ihr Vater versucht, das kulturelle Erbe ihrer Mutter in ihr auszumerzen, aber sie hat ihren eigenen Kopf und ist eine starke junge Frau. Sie war eine Heldin nach meinem Geschmack: kein Burgfräulein in Not!

Sehr interessant fand ich auch Lady Sarka... Es wird so oft erwähnt, dass sie eine grausame, skrupellose und machtgierige Herrscherin ist, aber ich konnte das Gefühl einfach nicht abschütteln, dass sie mehr ist als das. Für mich war sie nicht hundertprozentig böse - manchmal war sie mir fast ein bisschen sympathisch! Ich bin sehr gespannt, wie es in den nächsten Bänden mit ihr weitergehen wird.

Als letztes möchte ich noch den Alben Lucien erwähnen, der eine starke Verbundenheit mit den Menschen in sich spürt und deswegen auch in der Welt der Menschen leben möchte - was allerdings zu Konflikten mit seinem eigenen Volk führt.

Sehr gut fand ich, dass die meisten Charaktere weder vollkommen böse noch vollkommen gut sind! Das macht sie interessanter und glaubhafter, und das macht sie auch weniger vorhersehbar - was wiederum die Geschichte spannender macht.

Den Schreibstil fand ich wunderbar: er löst das reinste Kopfkino aus, und er kann sowohl fantasievoll und federleicht als auch düster und bedeutungsschwer sein.

Kontra:
Die Liebesgeschichte zwischen Vivana und Liam hat mich nicht vollständig überzeugt. Sie ging mir ein bisschen schnell - nicht im Sinne, dass die beiden direkt im Bett landen (tun sie nicht), sondern im Sinne, dass sie sehr schnell sehr tiefe Gefühle füreinander entwickeln! Vivana ist gegen Ende des Buches schon bereit, ihr Leben für Liam zu riskieren.

Andererseits mochte ich diese beiden Charaktere sehr gerne, und sie passen eigentlich auch gut zusammen.... Außerdem rechne ich dem Autor hoch an, dass es in diesem Buch keine Dreiecksgeschichte gibt! Also ist es eigentlich kein RICHTIGES Kontra.

Zusammenfassung:
Das Buch verwebt viele Genres zu einem bunten Flickenteppich voller origineller Ideen, mit dem Schwerpunkt auf High Fantasy und Steampunk. Ich habe das Buch ohne große Erwartungen angefangen - ich hatte noch nichts davon gehört und High Fantasy ist nicht mein Lieblingsgenre - war dann aber rundum begeistert! Was für eine komplexe, faszinierende Welt... Und was für glaubhafte, interessante Charaktere! Ich freue mich schon sehr auf den zweiten und dritten Band.