Rezension

Ein Blick hinter Palastmauern - Fakten oder Fiktion?

Teatime mit Lilibet - Wendy Holden

Teatime mit Lilibet
von Wendy Holden

Bewertet mit 3 Sternen

Die Autorin Wendy Holden hat für britische Sonntagszeitungen gearbeitet und die Biografien von mehr oder weniger (im englischen Sprachraum) bekannten Persönlichkeiten geschrieben. In „Teatime mit Lilibet“, einem Roman, der dem Genre Biografische Fiktion zuzuordnen ist, stützt sie sich auf die Erinnerungen der Hauslehrerin Marion Crawford (The Little Princesses), die an der Erziehung der jetzigen Queen Elizabeth II: und ihrer Schwester Margaret über zwölf Jahre beteiligt war. Gut lesbar und unterhaltend, aber im Informationsgehalt eher dürftig.

Eigentlich will sich die junge Lehrerin um die Bildung sozial benachteiligter Kinder kümmern, kann sich aber der Argumentation ihrer Mentorin nicht verschließen, dass ihr pädagogischer Einfluss am ehesten zur Veränderung der Gesellschaft beiträgt, wenn sie an der Wurzel ansetzt, quasi den Marsch durch die Institutionen antritt. Über den Umweg einer Aushilfslehrerin (bei der Familie der Schwester der späteren Queen Mum) kommt sie in den Haushalt des Herzogs von York, der nach dem Abdanken seines Bruders (Wallis Simpson Affäre) 1937 zum König gekrönt wird.

Crawfords vorrangiges Erziehungsziel ist es, Elizabeth und Margaret mit dem „wirklichen“ Leben in Kontakt zu bringen, sie für das Leben der einfachen Leute zu sensibilisieren. Ob dafür eine Fahrt mit der London Underground oder das Einkaufen von Weihnachtsgeschenken bei Woolworth ausreicht, mag jede/r für sich selbst entscheiden. Es ist zwar eine Zeit der gesellschaftlichen Veränderungen, aber an den über Jahrhunderte gewachsenen Traditionen und dem auch heute noch tief verankerten Klassensystem Großbritanniens ändert auch der Zweite Weltkrieg, der vor der Tür steht, nichts.

Mit zunehmendem Alter vergrößert sich die emotionale Distanz zwischen Crawford und ihren beiden Zöglingen, ihr Einfluss nimmt ab, ihre Dienste werden nicht mehr benötigt, sie ist desillusioniert und verbittert, hat sie doch nach eigenem Empfinden ihre besten Jahre deren Erziehung geopfert. Aber hier fragt man sich zwangsläufig, was sie erwartet hat? Und so wird sie mit einer kleinen Abfindung und den üblichen Vergünstigungen für Bedienstete des Hofes entlassen. Nach ihrem Ausscheiden erhält sie von einer amerikanischen Zeitschrift ein gut dotiertes Angebot, über ihre Zeit am Hofe zu schreiben. Eine Verletzung der Regeln, und selbst die Intervention Elizabeths hindert sie nicht daran, Interna – wie deren Zwangsstörung – preiszugeben.

Nach dem Lesen stellt man sich zwangsläufig die Frage, ob Crawford das Ziel, mit dem sie angetreten ist, erreicht hat, ob diese subjektiven Schilderungen der Realität entsprechen, oder ob es nur weiteres Futter für die Klatschpresse ist. Aber das muss wohl jede/r Leser/in selbst entscheiden.