Rezension

Ein Blick in den Abgrund

Das erste Buch des Blutes - Clive Barker

Das erste Buch des Blutes
von Clive Barker

Bewertet mit 4 Sternen

Clive Barker kannte ich bisher nur als Erfinder der Hellraiser. Aus der bekannten Horrorfilmreihe habe ich einige Teile gesehen und mir war auch bekannt, dass Barker als Schriftsteller tätig ist. Meine Neugierde war geweckt und so beschloss ich mit seinen Büchern des Blutes zu testen.

“Das erste Buch des Blutes” ist der erste von sechs Teilen aus einer Horrorkurzgeschichtensammlung und enthält wiederum sechs ganz unterschiedliche Kurzgeschichten, die vor Fantasie und einem intelligenten Schreibstil strotzen.

Mit der ersten Geschichte namens “Das Buch des Blutes” gibt Barker gleich eine Erklärung ab, warum diese Reihe ihren Namen trägt und was für Geschichten dem Leser präsentiert werden. Ein kleines Forschungsteam von paranormalen Phänomenen untersuchen und dokumentieren ein Haus. In einem Zimmer dieses Hauses scheinen die Geister Verstorbener den kurzzeitigen Übertritt in diese Welt zu schaffen und mittels eines Mediums Nachrichten auf den Wänden zu schreiben. Doch was hinter diesem Phänomen steckt und daraus resultiert ergibt das namensgebene Schriftwerk.

“Der Mitternachts-Fleischzug” ist die einzige Geschichte, die mir bereits etwas sagte, da es hierzu eine mir bekannte Verfilmung gibt, von der ich einen Trailer kenne. Ein Schlachtbetrieb der etwas anderen Art, der unter New York in den U-Bahn-Tunneln mit einer gar zu menschlichen Ware handelt.

“Das Geyatter und Jack” ist die erste Kurzgeschichte, die ich nicht in den Bereich Splatter packen würden, auch wenn Katzenfreunde dies anders sehen werden. Ein niederer Dämon soll Jack in Versuchung führen und damit seine Seele einkassieren. Doch Jack scheint unempfänglich dafür zu sein und treibt das Geyatter damit in den Wahnsinn.

In “Schweineblut-Blues” geht es um eine Jugendstrafanstalt, die von einem ganz besonderen Schrecken beherrscht wird. Ein Ex-Polizist wird als Wärter angestellt und kommt einem Grauen auf die Spur, dass diese Anstalt bereits tief infiltriert hat.

Theater satt bekommt man in “Sex, Tod und Starglanz”. Eine Theateraufführung mit Problemen, ein Regisseur und seine hauptdarstellende Affäre und ein ehemaliger, plötzlich auftauchender Angestellter zeigen eine gruselige Schauermär.

Schließlich schließt das erste Buch des Blutes mit “Im Bergland: Agonie der Städte” mit der blutigsten, aber auch ungruseligsten Geschichte, die von zwei schwulen britischen Touristen in Jugoslawien und einer besonders bizarren Dorftradition handelt.

Clive Barker hat anhand dieser sechs Kurzgeschichten eine wirklich blühende Fantasie bewiesen, die in schwer vorstellbare Schrecken mündet und dann oft noch darüber hinaus geht. Als Leser wird man ohne große Einleitung direkt in die problematische Situation hineinbefördert und muss sich mit dieser auseinandersetzen. Barker mischt hier klassischen Grusel mit Sex und Goreelementen und zeigt gleichzeitig auch immer gesellschaftliche Probleme auf. Teilweise tut er dies auch, indem er Grenzen überschreitet und dem eigentlichen Horror noch eine bedrückendere Krone aufsetzt. Man darf hier gewiss lang nicht immer ein Happy End erwarten.

Sein Schreibstil ist gut verständlich und flüssig zu lesen, hat aber auch poetische Tenedenzen, was den Geschichten teilweise einen etwas entrückten Touch gibt.

Mir haben alle Geschichten auf ihre Art gefallen, am Besten fand ich den “Mitternachts-Fleischzug” und “Das Geyatter und Jack” aus ganz unterschiedlichen Gründen. Man fühlt sich beim Lesen fast so, als ob man vor einem verstörenden Bild stehen würde und bevor man es wirklich realisiert von diesem gepackt und in sich hineingezogen wird.

Abzüge gibt es von mir dafür, dass ich mir doch etwas mehr Charaktertiefe gewünscht hätte und mir die Geschichten teilweise etwas unrund vorkamen, so als ob noch irgendwas fehlte. Trotzdem eine Leseempfehlung für alle Horrorfans, die in die unterschiedlichsten Abgründe schauen wollen und gleichzeitig auch eine kritische Note zu schätzen wissen. “Das erste Buch des Blutes” ist aber definitiv nichts für schwache Mägen und Nerven.