Rezension

Ein Buch, das an die Nieren geht!

Narbenkind
von Erik A. Sund

Die Victoria Bergman-Trilogie des schwedischen Autorenduos Jerker Eriksson und Hakan Axlander aka Erik Axl Sund, von der bisher Band 1 „Krähenmädchen“ und Band 2 „Narbenkind“ erschienen sind, wird sehr kontrovers diskutiert. Diese Psychothriller-Reihe polarisiert zum einen wegen des Themas, zum anderen wegen der detailliert beschriebenen Gewaltszenen. Das ist harte Kost für den Leser, die man kaum aushält. aber den Autoren geht es nicht darum, Grausamkeiten zu zelebrieren. Ursache und Wirkung, das verstehen von diesen Zusammenhängen, das ist das Anliegen.

„Wenn man nicht nur das Warum erkennen kann, sondern auch die ganze Reihe von Ereignissen versteht, die letztlich zu einem Geschehnis geführt haben, wird einem schier schwindlig. Manche nennen es Erbsünde, andere Vorbestimmung, aber eigentlich ist es nur eine eiskalte, unsentimentale Konsequenz. Eine Lawine; Ringe, die sich auf dem Wasser bilden, wenn man einen Stein hineinwirft.“

Ermordete Kinder mit Migrationshintergrund zählen in Stockholm scheinbar nicht, denn wie sonst lässt es sich erklären, dass die Ermittlungen in diesen Fällen aus Kostengründen eingestellt werden? Aktuell ermitteln Jeanette Kihlberg und ihr Kollege Jens Hurtig zwar im Fall eines mit äußerster Brutalität hingerichteten Geschäftsmanns, lassen es sich aber nicht nehmen, auch in ihrem „alten“ Fall nach dem Mörder zu suchen. Dabei können sie auf die Hilfe von Jeanettes Freundin, der Psychologin Sofia Zetterlund bauen, die ein Täterprofil liefern soll. Eine mysteriöse Persönlichkeit, deren Verhalten zunehmend befremdlicher wird.

Im Laufe der Ermittlungen verdichten sich die Hinweise darauf, dass es eine Verbindung zwischen den beiden Fällen gibt und nicht nur die Morde an den Kindern, sondern auch an den Erwachsenen auf das Konto derselben Person gehen. Aber um dies mit Sicherheit beweisen zu können, müssen Jeanette und Jens unbedingt die spurlos verschwundene Victoria Bergman befragen…

Haben die Autoren in Band 1 ihre Story entwickelt, dient Band 2 „Narbenkind“ dazu, die Hintergründe der grausamen Taten darzulegen. Dazu gehen sie weit in die Vergangenheit zurück und betrachten den Missbrauch aus den unterschiedlichsten Perspektiven: Väter, die ohne Skrupel Kinderseelen zerstören, Mütter, die wegschauen und wehrlose Kinder, die im Laufe ihres Lebens zu Monstern werden.

All dies beschreibt das Autorenduo emotionslos und nüchtern - und gerade deshalb so beeindruckend. Das Ganze gespickt mit lexikalisch sachlichen Informationen zu diesem Themenkomplex sowie der analytischen Betrachtung der sich daraus entwickelnden Persönlichkeitsstörungen. Und dennoch spürt man die Empathie für die Opfer, selbst wenn diese aufgrund der ihnen zugefügten Gräueltaten selbst zu Mördern werden. Ein Buch, das an die Nieren geht!