Rezension

Ein Buch, das mich hin- und hergerissen zurücklässt

Cows - Dawn O'Porter

Cows
von Dawn O'Porter

Bewertet mit 3 Sternen

Tara ist Anfang vierzig und versucht, ihre Rollen als erfolgreiche Dokumentarfilmerin und alleinerziehende Mutter unter einen Hut zu bekommen. Dabei merkt sie an ihrem männerdominierten Arbeitsplatz und dem Warten am Schultor immer wieder, wie schwer es ist, den Erwartungen der anderen gerecht zu werden. Dass man auf die Meinung der anderen jedoch nicht viel geben sollte propagiert die Mittdreißigerin Cam auf ihrem populären Blog. Cam lebt allein, will keine Kinder und hat gelegentlich Sex mit einem jüngeren Mann – ein Lebenswandel, an dem sie ihre Leser teilhaben lässt und der bei ihrer Mutter und ihren Schwestern seit Jahren auf Unverständnis stößt. Stella, Ende zwanzig, spürt beim Lesen von Cams Artikeln vor allem Wut. Sie hat das Brustkrebsgen und die Rückmeldung der Ärzte für sich so interpretiert, dass sie sofort schwanger werden muss oder es zu spät ist. Doch ihr Freund reagiert zurückhaltend auf ihren Wunsch. Schließlich gerät Tara in eine pikante Situation, die sie über Nacht zum Gespött der Nation macht. Ihr Leben scheint zerstört, und in den Medien gibt es nur eine Person, die zu ihr hält: Cam.

Zu Beginn des Buches lernt der Leser die drei Protagonistinnen kennen. Sie stehen mitten im Leben, müssen aber mit ganz unterschiedlichen Herausforderungen kämpfen: Tara arbeitet mit Männern zusammen, deren Verhalten man nur als frauenfeindlich bezeichnen kann. Obwohl sie früher als alle anderen anfängt erntet sie missbilligende Blicke, wenn sie zeitig geht, um ihre Tochter von der Schule abzuholen, nur um dort als Alleinerziehende ähnlichen Blicken der anderen Mütter ausgesetzt zu sein. Cams Lebenswandel stößt hingegen bei vielen ihrer Leserinnen auf positive Resonanz, nur ihre Mutter und ihre Schwestern wollen ihr Bekenntnis zur Kinderlosigkeit nicht verstehen. Und Stella fühlt sich wie eine tickende Zeitbombe, nachdem ihre Zwillingsschwester und ihre Mutter an Krebs gestorben sind und auch sie das Brustkrebsgen trägt. Obwohl es verschiedene Optionen für sie gibt kommt bei ihr nur eines an: Sie muss sich einer Operation unterziehen und davor schnellstmöglich ein Kind bekommen.

Die drei Frauen haben sich nie gesehen, das verbindende Element ist zu Beginn nur die Tatsache, dass Tara und Stella den Blog von Cam lesen. Die Perspektive wechselte jeweils nach wenigen Seiten und so tauchte ich schnell in die drei gänzlich unterschiedlichen Leben ein. Ich wurde ins Nachdenken gebracht darüber, dass eine Frau zwar die Wahl hat, was sie mit ihrem Leben anstellen will, aber es immer jemanden gibt, der mehr oder weniger explizit und lautstark andere Erwartungen an sie heranträgt.

Schließlich kommt es in Taras Leben zu einer katastrophalen Entwicklung. Sie ist über Nacht mit einer pikanten Story in allen Medien vertreten. Kann sie sich überhaupt noch in die Öffentlichkeit wagen? Was denken nun alle anderen über sie? Wie soll sie reagieren? Sie ist gänzlich mit der Situation überfordert, ihr Leben ist völlig aus den Fugen geraten. Auch Cam und Stella bekommen die ganze Geschichte mit und reagieren jeweils auf ihre spezielle Weise. Mit diesem ungewöhnlichen, provokativen Twist stieg mein Neugier auf den weiteren Handlungsverlauf zunächst an. Doch im Laufe des Romans wird das Thema so lang und breit diskutiert, dass es für mich irgendwann seinen Reiz verloren hatte, Tara beim Aufarbeiten des Geschehens zu begleiten.

Auch in Cams Abschnitten hatte ich irgendwann das Gefühl, dass die Diskussion rund um ihre bewusste Entscheidung zur Kinderlosigkeit sich im Kreis dreht und zu wenig Neues geschah. Tara und Cam blieben mir trotzdem weiterhin sympathisch, ganz im Gegensatz zu Stella. Ihre Geschichte ist wirklich traurig und hart, doch ihre Entscheidungen entsetzten mich ab einem gewissen Punkt nur noch und sie hätte meiner Meinung nach dringend psychologische Betreuung gebraucht, um ihre Situation aufzuarbeiten. Die Reaktionen ihres Umfelds hingegen… nun ja. Zum Ende hin kommt schließlich rasant Bewegung ins Geschehen. Ich fand die Entwicklungen dabei zu überzogen und den Abschluss irgendwie erzwungen.

„Cows. Folge nicht der Herde“ vermittelt die wichtige Nachricht, dass es völlig okay ist, als Frau mit dem eigenen Leben zu machen, was man will, dafür aber nicht immer Applaus erhalten wird. Der Autorin gelingt es gut, drei verschiedene Lebensentwürfe und Lebensgefühle darzustellen und verschiedene Reaktionen des Umfelds darauf. Das Buch lässt mich hin- und hergerissen zurück, denn trotz vieler guter Appelle hatte ich irgendwann das Gefühl, dass manche Themen zu sehr ausgewalzt wurden und die Handlung zunehmend effekthascherisch wurde. Was der Geschichte auf jeden Fall gelingt ist, Redebedarf zu erzeugen. Lest den Roman am besten selbst, um euch ein Bild zu machen.