Rezension

Ein Buch, das mit leisen Tönen ganz laut ist ... ein absolutes Must-Read

Das Gegenteil von Hasen - Anne Freytag

Das Gegenteil von Hasen
von Anne Freytag

Bewertet mit 5 Sternen

Inhalt:

Obwohl Julia zur Clique der beliebten Schüler an ihrer Schule zählt, hat sie niemanden, mit dem sie wirklich reden kann. Deshalb hält sie ihre Gedanken auf einem geheimen Blog fest und schreibt sich dort alles von der Seele. Hier kann sie ganz sie selbst sein und muss ihre Worte nicht in Watte packen, um ihre beste Freundin Marlene und ihren festen Freund Leonard nicht zu verletzten und zu verlieren.

Doch dann begeht Julia einen fatalen Fehler: Sie lässt ihren Laptop im Bus liegen und am nächsten Tag ist ihr Blog plötzlich öffentlich und ihre ungefilterten Gedanken für alle lesbar. So muss Julia erkennen, dass Worte mehr verletzen können als Taten und dass der Fall vom beliebten Mädchen zur Außenseiterin sehr tief sein kann.

Aber wer hat die Einträge veröffentlicht und Julia damit zum Mobbingopfer gemacht? Die Liste der Verdächtigen ist lang und die Motive könnten unterschiedlicher nicht sein. Fakt ist, nach der Veröffentlichung wird nichts mehr sein, wie zuvor, für niemanden … .

Meine Meinung:

Ich muss gestehen, dass ich das Buch zunächst aufgrund seines ungewöhnlichen Titels gar nicht im Kopf hatte. Erst als es dazu eine Kampagne von „ehrlich & anders“ gab und ich deswegen den Klappentext gelesen hatte, wollte ich es lesen. Außerdem war ich sehr neugierig auf Anne Freytag, deren Bücher von vielen Bloggern und Lesern sehr gelobt werden, von der ich aber noch nichts gelesen hatte. 

Als ich zu lesen begann, war ich ehrlich gesagt etwas skeptisch. Man erfährt sofort, dass die Einträge von Julia veröffentlicht wurden und diese eingeschlagen sind, wie eine Bombe, aber im negativen Sinne. Was jedoch wirklich in den Beiträge steht, bleibt zunächst geheim, was bei mir die Neugierde bis ins Unermessliche gesteigert hat. Es werden immer nur Andeutungen gemacht, Personen erzählen, dass sie schockiert sind, mit den Worten verletzt wurden, dass sie das nie von Julia gedacht hätten usw. aber was sie denn nun wirklich geschrieben hat, erfährt man erst nach dem ersten Viertel des Buches. Ich muss ja gestehen, das hat mich fast wahnsinnig gemacht, ist aber natürlich ein gekonnter Trick der Autorin, ihre Leser am Ball zu behalten. Mich hat sie damit jedenfalls gekriegt und ich war richtig an die Seiten gefesselt und das obwohl ich mich erst einmal an den Schreibstil gewöhnen musste. Tatsächlich verbringt man als Leser nämlich viel Zeit in der Gedankenwelt der einzelnen Charaktere. Jeder erzählt aus seiner Sicht, wie er die Dinge erlebt hat, schildert seine Gefühle und Gedanken, berichtet von seinen Erfahrungen mit Julia und vom Umgang mit der ganzen Situation. Dadurch bekommt man vor allem anfangs wenig Dialoge, dafür viele Erzählungen. Eigentlich mag ich das ja nicht besonders, weil ich finde, dass Dialoge ein Buch flüssiger machen, aber in diesem Fall hat es perfekt zur Geschichte und zu den Protagonisten gepasst und nachdem ich mich daran gewöhnt hatte, fiel es mir auch gar nicht mehr großartig auf.

Die Story an sich ist durch die ganzen Verdächtigungen wirklich sehr spannend. Als Leser versucht man Hinweise zu finden und das Rätsel zu entschlüsseln, wer hinter der Veröffentlichung steckt. Doch obwohl mich das brennend interessiert hat, geriet es irgendwann doch in den Hintergrund, weil es viel wichtiger wurde, was zwischen den Protagonisten passiert. Die Veröffentlichungen der Beiträge zieht nämlich einen ziemlichen Rattenschwanz hinter sich her und wirkt sich auf das Leben aller aus, manchmal im negativen, manchmal aber auch im positiven Sinne. 

Dabei versteht es Anne Freytag sehr gut, die Probleme von Jugendlichen in all ihrer Vielfältigkeit darzustellen und so geschickt in die Geschichte einzuflechten, dass sie einfach zu den Protagonisten dazugehören. Es geht um die erste Liebe, um Sex und Sexualität, um Verhütung, um Aussehen, um Schönheitsideale und Mobbing. Es geht um Freundschaft, ums anders sein, darum, sich anzupassen oder seinen Weg zu gehen, es geht um Erwartungen, um Familie und wie man als Jugendlicher in all dem seinen Platz findet. Dabei geht Anne Freytag auch wie selbstverständlich (und genau so sollte es sein), mit den Themen Homosexualität und verschiedene Ethnien um. Es gibt ein Mädchen, das auf Mädchen steht und eines, das bi ist. Da gibt es eine Protagonistin mit asiatischen Wurzeln und einen mit dunkler Haut, alles ganz normal und kein großes Thema. Genau so sollte das meiner Meinung nach in Büchern sein.

Aber dieses Buch hat mich überhaupt dahingehend fasziniert und begeistert, dass es ohne großartige Effekthascherei auskommt. Natürlich werden Wahrheiten ausgesprochen, die man vielleicht nicht gerne hört und Dinge werden veröffentlicht, die eigentlich privat bleiben sollten, aber DER große Skandal bleibt aus, denn das hat die Geschichte auch gar nicht nötig. Es gibt genug Sachen, mit denen sich Jugendliche herumschlagen müssen und damit ist das Buch herrlich authentisch und Leser in dem passenden Alter können sich sicher sehr gut damit identifizieren. Mich hat es jedenfalls schwer begeistert, wie dieses Buch mit leisen Tönen doch so laut sein kann.

Fazit:

Auf „Das Gegenteil von Hasen“ bin ich erst auf den zweiten Blick aufmerksam geworden, hätte aber wirklich einiges verpasst, wenn ich es nicht gelesen hätte, denn dieses Buch hat mich schwer beeindruckt. Sehr authentisch schreibt Anne Freytag über die Probleme von Jugendlichen und nimmt dabei auch verschiedene Arten der Sexualität oder Ethnien wie selbstverständlich in den Alltag mit auf. Ohne Effekthascherei, aber sehr einfühlsam geht sie auf verschiedene Themen wie Mobbing, Outing, familiäre Probleme, Freundschaft, erste Liebe, Enttäuschungen, Schönheitsideale, Erwartungen der Eltern oder der Gesellschaft, Sex und Verhütung und vor allem die Macht der Worte ein. Denn manchmal tut die Wahrheit weh, aber manchmal kann sie auch eine neue Chance eröffnen. Ein Buch, das zeigt, dass es mit leisen Tönen doch so laut sein kann. 

Von mir bekommt das Buch 5 Punkte von 5.