Rezension

Ein Buch mit einzigartigen Charakteren, viel Blut und Witz.

Ham & Axe - Michael Schöpf

Ham & Axe
von Michael Schöpf

Michael Schöpfs zweites Buch „Ham & Axe“ ist im September letzten Jahres in der Edition Totengräber erschienen. Das „Ham & Axe Hotel und Spa“, das dem Buch seinen Titel verleiht, ist ein riesiges steinernes Hotel am nördlichsten Punkt Schottlands. Abgeschieden und immer mit dem Geräusch der zerberstenden Wellen im Hintergrund, steht es dort im regnerischen und rauen Nirgendwo.

Die einzigen Gäste, die dort übernachten, sind entweder Touristen, die sich verirrt haben oder Serienkiller, Psychopathen und Schwerverbrecher, die schon das ein oder andere Leben auf dem Gewissen haben. Ob sie die Übernachtung überleben, hängt von der Antwort auf eine einzige Frage ab: „Möchten Sie ein Zimmer mit Meerblick?“

Jeder der Hotelangestellten hat seine ganz eigene Geschichte, wie er zum Ham & Axe Hotel gekommen ist. Eines ist aber klar: Um im Ham & Axe eingestellt zu werden, muss man ganz andere Qualifikationen vorweisen, als normalerweise. Auf ordentliche Zimmer und guten Service wird zwar auch hier Wert gelegt, vor allem aber sollte die Arbeit mit Knochensäge, Schrotflinte und Gift vertraut sein und einem am besten auch noch einen Mordsspaß machen. Sie alle sind gut darin, Menschen um die Ecke zu bringen und dann auf verschiedenste Weise weiterzuverarbeiten.

Obwohl die Angestellten genau wie ihre Gäste Verbrecher und Mörder sind, schafft es Michael Schöpf, dass sie einem über die Zeit fast sympathisch werden. Jeder Charakter hat etwas Einzigartiges, hat ganz eigene Ansichten und Werte. Und trotzdem hält das Team in Krisenzeiten zusammen. Sogar den Empfangschef Dietrich-Wilhelm III. mit den spitzen Reißzähnen und der alten SS-Jacke seines Vaters meint man irgendwann schon jahrelang zu kennen. Man wird als Leser Teil der Crew und hofft in Kampfsituationen, dass sie als Gewinner hervorgehen.

Zuerst scheint die einzige Konstante der Kapitel das Hotel zu sein, in dem sich die Person, um die sich das jeweilige Kapitel dreht, schlussendlich landet. Gerade als mir die Kapitel etwas zu unabhängig voneinander erschienen und innerhalb der Kapitel zwar immer wieder Spannung aufgebaut wurde, über das gesamte Buch aber ein Spannungsbogen fehlte, verknüpften sich die einzelnen Kapitel und es kam zum Showdown.

Für meinen Geschmack hätte die Verknüpfung schon etwas früher kommen können. Ich hätte das Buch vor lauter skrupellosen und scheinbar unnützen und wahllosen Morden fast zur Seite gelegt. Auch die immer wieder sehr detailreichen und blutigen Beschreibung der Tode wurde mir irgendwann fast zu viel. Aber eben auch nur fast. Zum Weiterlesen hat mich nämlich der Witz gebracht, der an einigen Stellen unverhofft und oft erst in den letzten Zeilen eines Kapitels auftaucht. Teilweise sind die Figuren und Situationen so eigenartig und bizarr, dass man sich selbst beim Schmunzeln erwischt, auch wenn man gerade erfahren hat, dass eine vierköpfige unschuldige Familie als Geburtstagsdinner verspeist wurde.

Insgesamt hat mich das Buch gut unterhalten. Ich konnte es nicht in einem Zug durchlesen und brauchte zwischendurch auch mal einen Tag Pause, damit sich meine Nerven und mein Ekel wieder beruhigen konnten. Die ungewöhnliche Handlung, die einzigartigen Charaktere und der Grusel dieses Hauses haben mich aber gefesselt. Ich kann das Buch jedem empfehlen, der entweder überlegt Forensiker zu werden, einen Erzfeind hat und ihn spurlos verschwinden lassen möchte oder noch eine Quarantäne-Lektüre sucht, nach der man froh ist, zuhause sein zu müssen.