Rezension

Ein Buch voller märchenhafter Abenteuer, das beweist, dass es für eine große Geschichte nicht immer eine Reihe braucht

Das dunkle Herz des Waldes - Naomi Novik

Das dunkle Herz des Waldes
von Naomi Novik

Bewertet mit 4.5 Sternen

Zitat aus dem Buch:

Es gab zu viel von ihr. Sie hätte jedes Loch, das wir in der Welt aufreißen würden, ausfüllen können, und es wäre trotzdem noch etwas von ihr übrig geblieben. Sie war der Dunkle Wald, der Dunkle Wald war sie. Ihre Wurzeln reichten zu tief. (S. 507)

Wie es mir gefallen hat:

Es gibt diese Bücher, die man nach dem Lesen mit einem zufriedenen Lächeln zuschlägt und ins Regal stellt. Mit genau so einem Buch haben wir es bei "Das dunkle Herz des Waldes" zu tun.
Hatte ich während des Lesens auch ab und zu das Gefühl, dass einzelne Dinge ein wenig hätten gestrafft werden können, fügt sich im nachträglichen Gesamteindruck alles gut zusammen.
Ganz besonders gut gefallen hat mir das Ende. Es ist nicht leicht, eine Geschichte so treffend und schön abzurunden.

Mit seinen fast 600 Seiten hat das Buch mir einiges an Lesezeit beschert. Insgesamt ist das Erzähltempo eher ruhig und erreicht in mehreren Wellen verschiedene Spannungspunkte.
Im Grunde geht es von Beginn an um den Kampf gegen den Dunklen Wald, doch in dessen Verlauf ergeben sich immer wieder neue Herausforderungen und Abenteuer.

Sehr gelungen ist die Darstellung von Magie. Ich finde, dass es in vielen Büchern schwierig ist, sich vorzustellen, wie man sich die jeweilige Magie vorzustellen hat, wie sie sich anfühlt oder wie sie gewirkt wird. Naomi Novik zeigt sich als Meisterin in dieser Disziplin: Immer wieder findet sie wunderbare Beschreibungen und macht den Zauber ihres Buches für den Leser greifbar.

Der Dunkle Wald ist eine faszinierende eigene Welt, die in all ihrer Grausamkeit liebevoll detailliert gestaltet ist. Seine Geschichte enthüllt sich erst nach und nach und lässt Raum zum Interpretieren und Nachdenken.

Was mir persönlich ein bisschen gefehlt hat, sind die Emotionen der Figuren. Ich würde die Geschichte als modernes Märchen betrachten, und in Märchen erfährt man selten viel über die Gefühlswelt der Helden; daher ist es stimmig, dass man auch hier ein bisschen außen vor gelassen wird. Für meinen Geschmack hätte es dennoch zumindest etwas tiefere Einblicke geben dürfen. Besonders Agnieszka wäre sicher zugänglicher geworden, wenn ihre Empfindungen mehr hervorgehoben worden wären. Es war ungewohnt, eine Ich-Erzählerin zu haben, die einem immer ein wenig fremd erscheint. Beispielsweise ihre Freundschaft zu Kasia oder ihre Einstellung gegenüber dem Drachen hätten noch stärkere Konturen bekommen können.

(Für wen) Lohnt es sich?

Obwohl ich natürlich nicht sagen kann, wie das Buch jemandem gefallen würde, der wesentlich jünger oder älter als ich ist, wage ich zu behaupten, dass "Das dunkle Herz des Waldes" durchaus das Potenzial zu einem All-Ager hat. Der Märchencharakter der Geschichte macht sie alters- und zeitlos.
Jeder, der fantasievolle Romane mit Magie und dem Kampf gegen das Böse mag, sollte es mit diesem Buch versuchen.

In einem Satz:

"Das dunkle Herz des Waldes" ist märchenhaft, verwunschen, voller Bilder und in jedem Fall ein Buch, das unter Beweis stellt, dass nicht immer eine Reihe nötig ist, um eine große Geschichte zu entfalten.

Herzlichen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar!