Rezension

Ein Buch zum Kuscheln

Die statistische Wahrscheinlichkeit von Liebe auf den ersten Blick - Jennifer Smith

Die statistische Wahrscheinlichkeit von Liebe auf den ersten Blick
von Jennifer Smith

Bewertet mit 4.5 Sternen

Der Titel ist einfach so außergewöhnlich, dass man das Buch in die Hand nehmen muss. Man möchte unbedingt wissen, was es nun damit auf sich hat. Ganz abgesehen von diesem wundervollen schimmernden Streichelcover. Erster Satz: Es hätte auch alles ganz anders kommen können.

Hadley verpasst ihren Flug um nur vier Minuten. Was ihr im Grunde entgegenkommt, denn sie möchte auf die Hochzeit ihres Vaters eigentlich gar nicht. Während sie auf den nächsten Flug wartet, lernt sie im Gate den jungen Briten Oliver kennen. Wie es der Zufall will, sitzen die Beiden im Flugzeug nebeneinander und lernen sich in den nächsten sieben Stunden Flugzeit näher kennen. In London angekommen trennen sich ihre Wege. Hadley erreicht auf den letzten Drücker die Hochzeit und fühlt nicht nur dadurch eine innere Leere. Aber es gibt noch eine Chance Oliver wiederzusehen. Die Gesprächsfetzen zweier Gäste lassen in ihr ein Fünkchen erglimmen. Wird es eine gemeinsame Zukunft geben?

Idee: Ich mag Flugzeuge, und auch wenn nicht die ganze Story darin spielt, ist es reizvoll eine Handlung in einem so engen Raum zu setzen und sich auf wenige Settings zu beschränken.

Plot: Man konnte sich sehr gut auf die Story konzentireren, da der Focus auf wenige Charaktere und Orte lag.  Alles innerhalb von 24 Stunden spielen zu lassen hat seinen besonderen Reiz. Ungefähr die Hälfte des Buches beschäftigt sich mit der Situation auf dem Flughafen und im Flugzeug selbst, der Rest passiert auf der Hochzeit und einem weiteren Schauplatz in London. Immer wieder gibt es Rückblenden in Hadleys Leben. Diese können in ihre Kindheit zurückreichen, aber auch Rückblenden zu den Ereignissen im Flugzeug finden statt. Zugegeben, ich musste mich etwas reinlesen, da diese Wechsel mitten im Text passieren und nicht durch Kapitel abgegrenzt sind. Im Leseverlauf hat sich das allerdings dann ganz normal angefühlt. Der Plot beschäftigt sich jedoch nicht nur mit der Liebesgeschichte um Hadley und Oliver, sondern auch um die Beziehung Hadleys zu ihrem Vater und dessen neue Frau. Diese Themen greifen hier wie ein Uhrwerk ineinander und ergänzen sich perfekt.

Schreibstil: Erzählt wird in der dritten Person im Präsens, die Rückblenden natürlich im Präteritum. Dabei bleibt man immer bei Hadley, von deren Standpunkt aus erzählt wird. Vor allem die Dialoge haben mir gefallen. Sehr lustig und es entsehen nette Schlagabtausche zwischen den beiden Hauptprotagonisten. Durch die tolle Beschreibungen der Umwelt konnte ich mir so vorstellen, als wäre ich selbst dort. Gut, ich kenne Flughäfen und war auch schon in London, aber gerade deshalb habe ich kritisch gelesen und muss sagen, dass die Autorin das wirklich klasse eingefangen hat. Diese für die Schauplätze typischen Kleinigkeiten sind wunderbar eingeflochten und schaffen Atmosphäre.
Das Tempo ist eher gemächlich. Man darf keine rasante Liebesgeschichte erwarten. Ich fand jedoch, dass dadurch das besondere Charisma der Geschichte hervorgehoben wird. Gerade bei der Hochzeit zieht es sich etwas, aber das geht meiner Meinung nach konform mit Hadleys Stimmung. Nett waren auch die Spielereien mit dem britischen Akzent Olivers, obwohl ich sicher bin, dass die im Original besser herüberkommen. Ein schöner leichter Schreibstil mit viel Charme, der einen verzaubert.

Charaktere: Hadley ist 17 und kann sich partout nicht mit der Situation der getrennten Eltern abfinden. Dabei wirken ihre Reaktionen sehr echt und real. Man möchte sie am liebsten bei der Hand nehmen. Auch ihr Verhalten Oliver gegenüber ist altersentsprechend. Sogar durch die mir nicht immer gemochte Perspektive in der dritten Person, schafft es die Autorin Hadleys Gedanken und Gefühle nahe zu bringen. Ich mochte Hadley sehr und konnte in jeder Sekunde ihr Handeln nachvollziehen. Sie ist zunächst recht engstirnig in ihrer Meinung zur Hochzeit, aber geht ihren Weg und verändert sich von Seite zu Seite immer mehr.
Oliver, oh Oliver. Was hast Du Dich in mein Herz geschlichen. Er hat einen Charme und Witz der einen träumen lässt. Dabei ist er auch noch tough und gefühlvoll. Die ganze Zeit über hatte ich jedoch den Eindruck sein Alter sei etwas unpassend. Ich hätte ihn älter geschätzt. In der zweiten Hälfte des Buches ist seine Art aber dann nachvollziehbar und da er für mich den britischen Gentleman verkörpert hat, passte es sehr.
Beide Charaktere weisen einen Tiefgang auf, der zum Nachdenken anregt.
Alle anderen Charaktere werden zu Großteil nur über die Gedanken Hadleys dargestellt. Sie sind dabei sehr präsent und wenn sie “Leibhaftig” auftauchen, kennt man sie schon.

Hintergrund: Über Liebe auf den ersten Blick lässt sich streiten, aber ganz auszuschließen ist sie nicht. Die Protagonisten wirken altersgerecht. Die Schauplätze sind sehr realistisch dargestellt und man hat das Gefühl, wirklich gleich in einem Flugzeug zu sitzen und abzuheben. Die Autorin schafft es die Geschichte als wahr zu verkaufen; als realistisches Erlebnis. Ich denke, sie muss auch die Orte besucht haben, sonst wären sie nicht so präsent dargestellt.

Fazit: Ein Flugzeug, ein Brite und London. Viel mehr braucht es nicht, um mich wohlzufühlen und mit einer Story zu begeistern. “Die statistische Wahrscheinlichkeit von Liebe auf den ersten Blick” ist ein wundervolles Buch zum umarmen und kuscheln. Mit Hadley abzuheben und verzaubern zu lassen hat Spaß gemacht. Aber auch ihre innere Mauer zu durchbrechen und ihrem Vater wieder näherzubringen. Ein schöner kurzer Schmöker für zwischendurch, der einen leider viel zu schnell wieder in die Realität wirft. Eine Geschichte, die einen in dem Glauben bestärkt, dass es so was wie Schicksal gibt.