Rezension

Ein Dilemma....

Terror - Ferdinand von Schirach

Terror
von Ferdinand von Schirach

Bewertet mit 4.5 Sternen

Ein Terrorist kapert eine Maschine der Lufthansa und zwingt die Piloten, Kurs auf die voll besetzte Allianz-Arena in München zu nehmen. Gegen den Befehl seiner Vorgesetzten schießt ein Kampfpilot der Luftwaffe das Flugzeug ab, alle Passagiere sterben. Der Mann muss sich vor Gericht für sein Handeln verantworten. Seine Richter sind die Zuschauer und Leser, sie müssen über Schuld und Unschuld urteilen.

„Terror“ ist ein Theaterstück, in dessen Mittelpunkt eine Gerichtsverhandlung steht. Der Kampfpilot Lars Koch muss sich wegen seiner eigenmächtigen Entscheidung zum Abschuss eines Passagierflugzeuges verantworten, bei dem 164 Menschen ums Leben kamen.

Der Angeklagte begründet seine Handlung damit, dass er die verhältnismäßig „wenigen“ Opfer in dem Flugzeug in Kauf genommen hat, um die ca. 70.000 Zuschauern im Fußballstadion zu retten. Trotz des eindeutigen Befehls seiner Vorgesetzten nicht zu schießen, hat er sich für den Abschuss entschieden.

Kein Richter und keine Schöffen sollen in diesem Fall Recht sprechen. Der Richterspruch wird von jedem einzelnen Leser erwartet, der zu diesem Buch greift. Er soll für sich das Für und Wider der Anklage und der Verteidung abwägen und eine nachvollziehbare und gerechte Entscheidung treffen.

Im Verlaufe der Verhandlung kommen sowohl Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung zu Wort und schildern die Situation aus ihrer Sicht.

Dabei werden interessante Grundsatzfragen aufgeworfen.

Die Staatsanwältin beruft sich auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, in dessen Tenor die Würde des Menschen an oberster Stelle steht. »Unser Staat ist den größten Gefahren ausgesetzt, und die Welt um uns droht einzustürzen. Aber in dieser Situation gilt es nur umso mehr, dass wir uns auf die Prinzipien des Rechtsstaats verlassen.“ Deren strikte Einhaltung allein sichert ein geordnetes und zivilisiertes Zusammenleben. Es heißt wortwörtlich: ».... Würde bedeute, ein Mensch dürfe niemals zum bloßen Objekt staatlichen Handelns gemacht werden.«

Die Verteidigung hält dagegen, dass bei einem erfolgreich ausgeführten Terroranschlag sowohl die Passagiere des Flugzeuges als auch tausende von Unschuldigen im Stadion gestorben wären. Der Pilot hat sich für das „kleinere Übel“ entschieden. Natürlich hat er damit gegen die Anordnung von Oben entschieden. Allerdings stellt sich hier die Frage: War diese Anordnung denn menschlich vertretbar? Ist es nicht so, dass der Angeklagte in einer derart heiklen Situation alleingelassen wurde. Hätte das Stadion nicht geräumt werden können?

Lars Koch bringt es in seinem Abschluss-Statement auf den Punkt: Haben wir dem Terror überhaupt noch etwas entgegenzusetzen?« Eine interessante Frage!

Ferdinand von Schirach bedient sich bei seinen Darstellungen einer leichten und flüssigen Schreibweise. Die Dialoge sind zwar mit juristischen Redewendungen gespickt, aber dennoch gut zu verstehen. Der Tatverlauf wird straff wiedergegeben….das eindeutige Dilemma und die Widersprüchlichkeit der Wertebeurteilung wird sehr deutlich.

Der Autor schildert hier ein Szenario, das in diesen Zeiten leider zur tagtäglichen Bedrohung geworden ist und zeigt die deutlichen Grenzen der deutschen Rechtssprechung auf.

Wie kann sich ein Rechtsstaat überhaupt noch gegen Übergriffe wehren, bei denen dem Gegner jede Menschlichkeit fremd ist. Was wiegt schwerer: das Festhalten an der gesetzlichen Grundordnung oder moralische Gesichtspunkte?

Dieses Buch macht fassungslos und regt zum Nachdenken an.

Jeder Leser wird einem anderen Lösungsansatz zusprechen....oder aber hilflos aufgeben.