Rezension

Ein dunkles Kapitel der amerikanischen Geschichte

Underground Railroad
von Colson Whitehead

Bewertet mit 4 Sternen

„We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness“ (aus der Präambel der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung)

Cora ist jung, schwarz und Sklavin auf einer Baumwollplantage in Georgia im 19. Jahrhundert. Schon von Kindesbeinen ist sie auf sich gestellt, da ihre Mutter Mabel vor Jahren geflohen ist und nie wieder aufgefunden wurde. Couragiert stellt sie sich der unmenschlichen Behandlung durch ihren Besitzer, bis sie eines Tages selbst gemeinsam mit Caesar die Flucht wagt. Über die Underground Railroad schafft sie es auf Irrwegen immer wieder der Verfolgung durch Sklavenjäger oder dem weißen Mob  zu entkommen und der Freiheit näher zu kommen.

Die Underground Railroad gab es wirklich, es war ein Netzwerk von Fluchthelfern, die Begriffe aus dem Eisenbahnwesen als Codeworte benutzten., um geflohenen Sklaven die Freiheit zu verschaffen Colson Whitehead nimmt allerdings die Eisenbahn nicht als Metapher, sondern lässt seine Protagonistin tatsächlich mit unterirdischen Zügen von Station zu Station fahren. Allerdings wollte er auch keinen historischen Roman schreiben, sein Motto war, sich nicht an Tatsachen, sondern an die Wahrheit zu halten. Ausgehend von slave narratives, Erfahrungsberichten ehemaliger Sklaven und mündlicher Überlieferung erzählt er von unmenschlicher Grausamkeit und der Verrohung der  herrschenden weiße Klasse. Manche Schilderungen sind so unfassbar grausam, dass man sich fragen muss, wieviel ein Mensch aushalten kann und was Menschen dazu bringt, nicht nur diese  Grausamkeiten zu begehen, sondern diese auch noch als Belustigung für Gäste anzubieten und das Publikum dem beiwohnt. Als besonders zynisch habe ich es auch empfunden, dass ein Sklave angehalten wurde die amerikanische Unabhängigkeitserklärung zu deklamieren.

Underground Railroad ist ein Buch das ungemein gehyped wurde. Pulitzerpreis 2017, National Book Award 2016, Barack Obama hatte es auf seiner Sommerleseliste 2016. Ausgehend  von diesen hohen Erwartungen ließ ich mich auf dieses Buch nicht ganz vorbelastet ein. Das Buch ist ein großartiges Stück Literatur. Es schildert eines der dunkelsten Kapitel der amerikanischen Geschichte, welche bislang eher stiefmütterlich behandelt wurde, aber jetzt auf einmal ausreichend bedient wird. Im Vergleich zu Yaa Gyasis Heimkehren, die sehr bildhaft mit ihren Protagonisten umgeht, fehlt mir das bei Underground Railroad. Es ist mir zu protokollarisch, von Cora zu sehr distanziert. Nichtsdestotrotz halte ich es für ein wichtiges und lesenswertes Buch.