Rezension

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Ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte - durchdrungen von der Helligkeit wahrer Liebe - ein überwältigendes Romandébut!

Winterhonig - Daniela Ohms

Winterhonig
von Daniela Ohms

Bewertet mit 5 Sternen

Bei dem Roman "Winterhonig" von Daniela Ohms handelt es sich um den ersten Roman im Genre "Historischer Roman" der Autorin und vorab ist zu sagen, dass dieses Histo-Début ein sehr gelungenes ist!Verlegt wurde der Roman (HC, gebunden) im Knaur Verlag (2016) und umfasst auf überwältigende und sehr berührende Weise ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte (1930 bis zur Nachkriegszeit 1947); veranschaulicht am Schicksal eines Liebespaares aus gesellschaftlich unterschiedlichem Stand und deren Familien. Verortet ist der Roman sowohl im Westfälischen, nach Kriegsbeginn dann auch in Nordfrankreich und in Russland.....

"Eine lebensgefährliche Liebe in einer harten, bäuerlichen Welt"(Quelle: Buchrückentext, Ausschnitt)
Das Glas Winterhonig symbolisiert im Roman die schmerzhaften Trennungen durch den Verlauf der Geschichte zwischen Mathilda und Karl, den beiden Hauptprotagonisten, aber auch die Hoffnung, von der beide durch die Kraft ihrer unerschütterlichen Liebe nicht ablassen....

Meine Meinung:

Daniela Ohms schafft es, den Leser in diese Geschichte mittels ihres wunderbaren Schreibstils, gekennzeichnet durch Klarheit und Emotionen, tief eintauchen zu lassen; die Lebenswelt Karls, der auf einem Gutshof und Gestüt im Paderborner Land arbeitet und 19 Jahre alt ist, als er die 14jährige Mathilda kennenlernt, sich zum einzigen Fürsprecher und Beschützer des Bauernmädchens, das als 10. Kind das Licht der Welt in der Familie Alvering erblickt, entwickelt. Das Leben Mathildas ist von Beginn an durch harte Arbeit, Verzicht, Disziplin und Gottesfurcht geprägt, die die Werte in der bäuerlichen Familie darstellen. Die Lebenswelten beider Protagonisten werden dem Leser anschaulich und fast plastisch vor Augen geführt und lassen Bilder entstehen, die den 30er Jahren entstammen..... Die drohende NS-Herrschaft und der Ausbruch und Verlauf des 2. Weltkrieges sind ebenfalls sehr authentisch am Leben der Familie Alvering und der der Gutsherren dargestellt:

Das plötzliche Verschwinden Karls und die sozialen Unterschiede ihrer Herkunftsfamilien und der Gutsherren stellt für Mathilda's Gefühlswelt immer wieder eine große Herausforderung dar; jedoch lernt sie durch Karl (und durch ihre eigene Intelligenz und Klugheit), Dinge zu hinterfragen und Vorurteile abzubauen...
Besonders gelungen fand ich die Tatsache, dass die Atmosphäre des Krieges - sowohl im Westfälischen auf dem Hof und dem Gestüt - als auch durch Karl selbst, der von Kindesbeinen an ein guter Reiter - in der Kavallerie der Wehrmacht zuerst in Nordfrankreich und später auf dem Ostfeldzug gen Russland berichtet, spürbar und nacherlebbar ist: Diese Hintergründe eines irrsinnigen Krieges, der NS-Diktatur und besonders der damit einhergehenden 'Rassengesetze' lassen den Leser schlucken; für mich war es keine leichte Kost, zumal es zu meiner eigenen Familiengeschichte (Mutter) Parallelen im Leben der Mathilda gab und ich daher emotional sehr eingebunden war...

Der 'rote Faden' der sehr engen und liebevollen Beziehung zwischen Karl und Mathilda bleibt über den ganzen Roman hin bestehen; die Gefahr dieser im Geheimen blühenden Liebe ebenso.

Der Stil von Daniela Ohms ist klar und flüssig zu lesen, emotional und stark berührend in den Dialogen wird der Leser zurecht nicht geschont, was die Gesetze der 'Braunhemden' an Auswirkungen für Juden und Zigeuner mit sich brachten...
Die Autorin hat durch umfassende Recherchen den 'Russlandfeldzug' der 6. Division der deutschen Wehrmacht nachgezeichnet und das Grauen für Mensch und Tier - hier das Pferd - in Worte gefasst: Emotional war für mich (wiederum, das habe ich selbst einmal recherchiert) die Tatsache schwer zu verkraften, dass Selma, ein wunderbares (ausgebildetes) Pferd Karls, zum Ende wie 1,4 Mio. (!!! lt. Schätzung, siehe Wikipedia) weiterer  Pferde im WW II sein Leben ließ (und Pferde vertrauen ihrem Reiter)....
Nichts wurde geschönt dargestellt, zum Ende des Romans, der auch die Vernichtung und Ausgrenzung bis hin zur Ermordung ethnischer Minderheiten einbezieht, haben auch die daraus resultierenden Traumata der einstigen 'Täter' ihren Raum. 

Durch "Winterhonig" wurde m.E. auch historischen Personen und Offizieren des Widerstands im Nationalsozialismus - hier in der Person von Gerhard von Boeselager (sowie seinem Bruder Philipp) posthum ein literarisches Denkmal gesetzt, das diese mehr als auch verdient haben (von Boeselager starb im Jahre 2008).

Fazit:

Ein sehr spannender, berührender, informativer und auf einer wahren  Lebenserinnerung der Großmutter der Autorin beruhender historischer Roman, der inhaltlich und stilistisch seinesgleichen sucht; gut recherchiert ist, authentisch - und viele Gefühle der Trauer, aber auch der Hoffnung beim Leser hervorzurufen vermag: Dafür gibt es von mir 5 Sterne am Bücherfirmament und 100° auf der "Histo-Couch" mit einer klaren Leseempfehlung sowie einem großen Dank an die Autorin und den Verlag!
Ein sehr persönliches Nachwort gibt Aufschluss über real vorkommende historische Personen und Abgrenzung zu fiktiven Romananteilen: Auch sei auf die HP der Autorin hingewiesen, da sich dort weitere interessante Hintergrundinformationen zum Buch finden!