Rezension

Ein Ein solides Buch

Die zweite Schwester - Claire Kendal

Die zweite Schwester
von Claire Kendal

Bewertet mit 3 Sternen

Claire Kendal hat zwei Releases im deutschsprachigen Raum. „Die zweite Schwester“ ist ihr aktueller. Für mich versprachen Cover als auch Klappentext psychologische Spannung, deshalb hat mich das Buch interessiert und deshalb hab ich es mir geholt. Dass ich von der Autorin noch nie etwas gehört hatte, war da nachrangig bzw. nur logisch bei lediglich zwei publizierten Büchern. Enttäuscht wurde ich jedenfalls nicht – richtig zufriedengestellt aber auch nicht.

Ella ist unsere Protagonistin in „Die zweite Schwester“. Sie hat Anlass dazu, nach ihrer Schwester zu suchen. Die wird seit zehn Jahren vermisst, oder ist seit zehn Jahren oder zumindest seit einer Zeit tot – so genau weiß das keiner. Zehn Jahre sind jedenfalls genug, denkt sich Ella, sie will endlich Gewissheit haben. Auch für Luke, der Sohn von Miranda, der seine Mutter nie kennengelernt hat, denn wenige Wochen nach seiner Geburt ist sie verschwunden. Also sucht Ella, auch weil sie neue Hinweise hat, wenngleich diese zunächst sehr vage sind und man als Leser oft das Gefühl hat, dass Ella einerseits im Nebel herumstochert und andererseits, irgendwann einen Hang zur Paranoia entwickelt. Und dann ist da noch Jason Thorne, der in der hiesigen Psychiatrie sitzt, weil er mehrere Frauen getötet hat – war Miranda darunter? Ella soll die Möglichkeit bekommen, es zu erfahren.

Ich habe mich tatsächlich auf dieses Buch gefreut, habe es sogar einem anderen vorgezogen und großteils hatte ich auch Freude daran. Anfangs wollte ich es gar nicht mehr aus der Hand legen, weil die Atmosphäre stimmig und Ella ein interessanter Charakter ist. Dazu noch Luke, dem Sohn der vermissten oder toten Miranda, der mit Ella so etwas wie eine Ersatzmutter hat. Das Buch geht von Anfang an auf die Psyche des Lesers, weil man sofort herumdenkt, was mit Miranda passiert sein mag und hinterfragt auch den Charakter von Ella und sämtliche andere Charaktere, denen man begegnet – so war es zumindest bei mir. Kendal schafft eine interessante Stimmung, die angenehm und gleichzeitig unangenehm ist. Den Spagat schafft sie gut. Und dazu bietet sie uns subtile Spannung, die rund um Ella und ihre Schwester aufgebaut ist. Ella steht ihrer Schwester nahe – so nahe, dass sie fast durchgehend mit ihr im Gedanken spricht. Also wenn wir nicht gerade die ohnehin dialoglastige Geschichte lesen, bekommen wir die – eher einseitige – Unterhaltung zwischen Ella und Miranda auch noch mit.

Bei Ich-Erzählungen wie bei „Die zweite Schwester“ fällt es mir ohnehin immer schwer, dem Protagonisten vollends zu vertrauen, weil man eben nur die eine, nämlich seine - oder in dem Fall ihre - Sicht hat. Und man hat hier nur eine, denn einen zweiten Erzählstrang gibt es nicht. Wir haben zwar mit Jason Thorne einen Antagonisten, aber der ist erstens schon verurteilt und zweitens ein verdammt schlecht gezeichneter Charakter, der so wenig Charisma hat, dass ihn sich Kendal auch sparen hätte können. Im späteren Verlauf hat er mich dann doch  etwas zu sehr an Hannibal Lecter erinnert; und das braucht es meiner Meinung nach nicht. Übrigens sind generell alle Charaktere außer Ella ziemlich blass – einzige Ausnahme bildet hier Luke, obwohl der irgendwann auch von der Bildfläche verschwindet, was ich sehr schade finde. Er haucht der Geschichte bis dahin einiges an Leben ein.

Auch wenn ich das Buch anfangs kaum aus der Hand legen konnte, tun sich im weiteren Verlauf doch ein paar Längen auf. Wobei ich mich ohnehin immer frage, ob es an mir oder nicht doch am Buch liegt, dass ich es gerade etwas zäh finde. Alles in allem ist „Die zweite Schwester“ ein solides Buch, dessen Titel mich aber doch des Öfteren zum Grübeln brachte, weil … es sind zwei Schwestern, aber … ach, macht euch am besten selbst ein Bild ;)

„Die zweite Schwester“ von Claire Kendal hat mich von Anfang an so gefesselt, dass ich gar nicht mehr aufhören wollte zu lesen, das dann aber irgendwann seine Defizite nicht mehr verstecken kann. Beispielsweise sind alle Charaktere außer Ella ziemlich blass. Einzige Ausnahme bildet Luke, aber der taucht irgendwann nicht mehr auf. Außerdem bekommt die Geschichte mit der Zeit dann leider doch ein paar Längen, und der Antagonist ist höchstens ein Hannibal Lecter für ganz Arme.