Rezension

Ein eindringlicher Appell

Der letzte Herr des Waldes - Madarejúwa Tenharim, Thomas Fischermann

Der letzte Herr des Waldes
von Madarejúwa Tenharim Thomas Fischermann

Bewertet mit 5 Sternen

»Ich sehe schon, es gefällt dir nicht, einen Affen zu essen. Was wäre dir lieber gewesen – ein Wildschwein zu schießen? Doch es ist nicht richtig, ein Wildschwein zu töten oder ein anderes großes Tier. Hier gibt es doch nur uns. Wir sind eine kleine Jagdgruppe, und von einer großen Beute bleiben Reste übrig. Es ist falsch, ein Tier zu töten, wenn wir es nicht ganz essen können.«

Der junge Krieger Madarejúwa vom Volk der Tenharim lebt noch ganz im Einklang mit der Natur. Er ist erst 19 Jahre alt, aber ein Meister des Überlebens. Und ein Krieger, der bereit ist, für sein bedrohtes Volk zu kämpfen, es mit seinem Leben zu verteidigen.

Thomas Fischermann lebt seit 2013 in Rio de Janeiro und war im Auftrag des ZEIT Magazins unterwegs, um über Zusammenstöße zwischen Holzfällerbanden und Amazonasvölkern zu berichten. Dabei lernte er die Tenharim kennen und durfte Madarejúwa begleiten: Auf die Jagd, zu Exkursionen in alte Dörfer und zu jenen Gegenden des Waldes, die die Tenharim als den Ursprung ihrer Welt ansehen. Dieses Buch ist das Resultat vierjähriger Recherche, vieler und regelmäßiger Reisen durch das Amazonasgebiet und vieler hundert Stunden Gespräche mit Madarejúwa, seinen Häuptlingen und den Alten seines Volkes.

 

Dieses Buch hat mich von der ersten Seite an fasziniert. Es ist eine völlig fremde Welt, in die ich beim Lesen eintauchen konnte. Ich habe Dinge erfahren, die ich hochinteressant fand, die mich gleichzeitig nachdenklich stimmten und manchmal erschütterten.

 

Schon die Art des Berichts ist interessant. Meist erzählt Madarejúwa, ein paar Kapitel steuert Thomas Fischermann bei. Dazwischen gibt es einige Geschichten der Tenharim. Mit Hilfe dieser Geschichten geben die Tenharim alte Weisheiten von Generation zu Generation weiter. Sie erzählen sie immer wieder, damit sie nicht in Vergessenheit geraten und stetig aufgefrischt werden. Im Kern geht es dabei um den Umgang mit der Natur, wie man in ihr und mit ihr lebt, sie gleichzeitig nutzt und bewahrt. Man merkt sofort: Obwohl die Tenharim regelmäßig auf die Jagd gehen, würde durch sie keine Tierart bedroht werden. Im Buch wird das sehr treffend als „Gebrauchsanweisung für den Regenwald“ bezeichnet.

 

Madarejúwa hat eine einfache und direkte Art zu erzählen. Sein Volk gehört nicht zu den „unkontaktierten“, die es immer noch gibt und zu denen auch eine Gruppe der Tenharim gehört. Madarejúwa kennt zwei Welten. Er weiß um die Existenz von Facebook und Internet, er besitzt ein Handy und einen Motorroller und er schaut mit Interesse fern, um sich die Welt „da draußen“ anzusehen. Ich hatte den Eindruck, dass er ein sehr intelligenter junger Mann ist, der versucht, sich mit seiner Lebenssituation zu arrangieren und das Beste aus allen Gegebenheiten zu machen. Nur hat halt alles seine Grenzen.

Die heimische Natur verleiht ihm seine Identität, seine Kultur ist ihm wichtiger als die der Weißen. Von denen er sein Volk bedroht sieht.

 

In eindringlichen Worten berichtet er über die Zerstörung seines Lebensraums. Über die Weißen, die »eine Straße durch unser Land gebaut haben, über die Gräber unserer Toten hinweg. Jetzt dringen sie wieder ein und fällen die Bäume. Sie quälen die Tiere und schürfen im Boden nach Metall.« Er erzählt von zerstörten Dörfern, von eingeschleppten Krankheiten, an denen viele Mitglieder seines Volkes starben. Sein Volk umfasste einmal mehr als 10.000 Menschen, von denen nur noch knapp ein Zehntel übriggeblieben ist. Seine Erzählung ist natürlich subjektiv, zudem ist er noch jung und vieles hat er nicht selber erlebt, sondern weiß es zum Beispiel aus den Erinnerungen seines Großvaters. Thomas Fischermann sprach daher auch mit der Gegenseite, also beispielsweise den Holzfällern und fand leider die Bedrohung der Tenharim und der sie umgebenden Natur bestätigt. Und er fasst es mit den einfachen Worten zusammen: »Wenn dieses Stück Natur stirbt, sterben auch die Tenharim.«

 

Die Berichte werden ergänzt durch einen Mittelteil mit Farbfotos und einige informative Karten. So wird dieses Buch zu einem eindringlichen Appell. Die Natur im Amazonasgebiet ist wunderschön und faszinierend. Ganz dringend muss sie bewahrt werden, zumal in Zeiten des Klimawandels die Existenz großer Waldgebiete nicht nur für die dort lebenden Völker, sondern für die ganze Menschheit eine Überlebensfrage ist. Und die Kultur der Tenharim ist eine höchst wertvolle, von der wir einiges lernen könnten.

 

Fazit: Ein eindringlicher Appell: Die Natur im Amazonasgebiet muss erhalten werden!

 

»Dieses Buch ist Madarejúwas Geschichte: die Erfahrungen eines jungen Mannes, der in eine jahrtausendealte Kultur hineingeboren wurde – um beim Heranwachsen festzustellen, dass ihr entscheidender Überlebenskampf begonnen hat.«