Rezension

Ein emotional heftiges, eindringliches, spannendes, richtig, richtig gutes Buch!

You are (not) safe here - Kyrie McCauley

You are (not) safe here
von Kyrie McCauley

Bewertet mit 5 Sternen

Achtung: Hausliche Gewalt – emotional und physisch!

 

 

Leighton lebt in der Hölle. Ihr Leben ist geprägt von seelischem Missbrauch und dem körperlichen Missbrauch ihrer Mutter. Sie weiß nie, wann ihr Vater das nächste Mal ausrasten wird, sie weiß nur, dass es ein nächstes Mal geben wird. Es gibt immer ein nächstes Mal. Sie weiß auch, dass keine Hilfe kommen wird, egal, wie schlimm es wird. Die Nachbarn wissen Bescheid, die Polizei weiß Bescheid, alle schauen weg.

Leighton versucht so gut sie kann ihre Schwestern zu beschützen, doch ihr ist klar, dass er sie irgendwann alle umbringen wird, es ist nur eine Frage der Zeit, wann er endgültig zu weit geht. Doch ihre Mutter will ihn nicht verlassen. Es tue ihm doch leid. Leightons Leben besteht nur aus Angst. Bis sie Liam kennenlernt. Er wird zu ihrem sicheren Hafen. Doch auch er kann sie nicht beschützen. Leighton versucht alles, ihre Mutter zu überreden, ihn zu verlassen. Aber wird sie das jemals tun? Ihre Töchter über ihren Mann stellen?

 

 

Leighton bricht mir das Herz. Sie ist so stark und gibt sich so große Mühe ihre Schwestern zu beschützen. Das Problem ist nur, dass sie nicht gewinnen können. Es gibt immer irgendetwas, dass sie nicht perfekt gemacht haben. Essen brennt an, oder Handtücher sind falsch gefaltet oder es hat gar nichts mit ihnen zu tun, aber seine Wut bekommen sie trotzdem ab.

 

Leighton beschreibt all das so eindringlich, dass einem mehrmals die Tränen kommen. Ich wäre so gern in das Buch gesprungen und hätte diesen Mistkerl aus dem Haus geworfen. Sätze, wie dieser sagen alles: „Vielleicht ist Angst ja der Preis, den Frauen dafür bezahlen müssen, überhaupt auf der Welt sein zu dürfen.“ (S. 266)

 

Leighton ist im letzten Jahr auf der Highschool. Eigentlich müsste sie sich Sorgen um College-Bewerbungen machen. Natürlich ist sie gespannt, ob sie es an ein College schaffen wird, aber diese Aufregung wird von Angst und Sorge überschattet. Wenn Leighton an die Uni geht, wer passt dann auf ihre Schwestern auf? Wer lenkt sie ab, wenn ihr Vater die Musik auf Anschlag dreht, um die Schreie ihrer Mutter zu übertönen?  Wer versteckt sie, wenn er angreift? Wer lenkt die Wut auf sich, um von ihnen abzulenken?

 

Ihre Heimatstadt wird zeitgleich von einer Krähen-Plage heimgesucht. Zumindest nennen es die anderen eine Plage, Leighton und ihre Schwestern mögen die Krähen. Vor allem eine: Joe. Er ist ihr Freund. Sie geben ihm Futter und der schenkt ihnen Dinge. Dinge, sie verloren haben oder auch Dinge, die sie brauchen. Joe scheint Bescheid zu wissen, wie schrecklich es bei ihnen Zuhause ist. Er ist immer da, wenn sie ihn brauchen.

Joe ist nicht das einzig merkwürdige in dieser Stadt. Das Haus von Leightons Familie scheint sich nach jedem Wutanfall ihres Vaters selbst zu reparieren. Nichts erinnert am nächsten Morgen noch daran, dass Löcher in die Wände geschlagen, oder Dinge an den Wänden zerschellten, als sie nach den Mädchen geworfen wurden.

Das klingt merkwürdig, ja, aber es passt zur Message des Buches, dass beinahe jeder im Ort wegsieht. Auch das Haus sieht weg. Tut so, als wäre nichts gewesen. Das macht das Ganze in meinen Augen umso eindringlicher.

 

 

Fazit: Das Buch ist nicht leicht zu ertragen. Es macht einen emotional echt fertig, aber es ist ein wichtiges Buch. Ein Plädoyer dafür, nicht wegzusehen. 2018 wurden 122 Frauen von ihren Partnern getötet (https://www.zeit.de/2019/51/frauenmorde-gewalt-partnerschaft-bundeskrimi...), die Dunkelziffer dürfte noch deutlich höher liegen. Wie viele Kinder in Haushalten leben, in denen physische oder psychische Gewalt herrscht, ist nicht ermittelbar. Darüber wird nicht geredet. Wie oft finden sich in Zeitungen Artikel über Kinder, die durch ihre Eltern zu Tode kommen? Zu oft und leider ist auch das nur die Spitze des Eisbergs. Über Kinder und Jugendliche wie Leighton und ihre Schwestern, die in einer Familie aufwachsen, die durch die Gewalt des Vaters geprägt ist, erfährt man nichts.

Dieses Buch fordert einen nicht nur dazu auf hinzusehen, sondern auch wenigstens nicht wegzusehen.

 

Leighton und Liam waren mir direkt sympathisch, ebenso, wie auch die Jugendlichen Nebencharaktere. Ich muss ehrlich sagen, dass ich Leightons Mutter dafür hasse, dass sie ihre Kinder nicht beschützt. Ich weiß, dass sie es vermutlich einfach nicht kann, sich nicht aus diesem Kreislauf befreien kann, aber dennoch, kann ich diese Gefühle nicht unterdrücken.

Die Verbindung mit den Krähen finde ich super. Der Zusammenhang zwischen der Anzahl der Krähen und der Eskalation ist wirklich toll gemacht!

 

Von mir bekommt das Buch volle 5 Sterne.