Rezension

Ein erschütterndes, gewaltiges aber wirklich sehr gut durchdachtes Buch

Miracle Creek - Angie Kim

Miracle Creek
von Angie Kim

Bewertet mit 5 Sternen

Achtung: es werden sehr schwere Verletzungen beschrieben, auch die eines Kindes!

 

 

Ein Feuer zerstört das Leben vieler Menschen, zwei sterben sogar: Kitt, eine Mutter von fünf Kindern und Henry, gerade einmal 8 Jahre alt. Der Sauerstofftank, der eine Überdruckkammer in einer Scheune versorgte, war in Flammen aufgegangen und sogar explodiert.

Henrys Mutter sitzt wegen Brandstiftung und Mordes auf der Anklagebank. Alles deutet darauf hin, dass sie ihren eigenen Sohn umgebracht hat, jeder sagt gegen sie aus: Freunde, Verwandte, Bekannte, einfach jeder. Doch ist es wirklich so einfach? Was ist mit den Betreibern der Überdruckkammern? Immerhin hatte der Mann seine Frau, die sich absolut nicht damit aus kannte, allein gelassen – war es ihre Schuld? Oder seine? Oder war es einer der fanatischen Demonstranten? Bald wird klar: jeder in dieser kleinen Stadt mit dem idyllischen Namen „Miracle Creek“ hat etwas zu verbergen. Doch wer von ihnen ist verantwortlich für das Feuer?

 

 

Das Buch ist aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Es geht um den Tag des Feuers und den Prozess. Die einzelnen „Opfer“ machen ihre jeweilige Aussage und man erfährt mehr über sie, über ihr Leben, was mit ihnen bei dem Feuer passierte und warum sie überhaupt dort waren. Man erfährt Stück für Stück mehr über den Tag und es wird klar, dass es mehrere Verdächtige gibt, allen voran die Demonstranten, die an diesem Tag die Patienten – vor allem aber deren Mütter – bedroht haben. Die Indizien sprechen gegen Elizabeth, aber was ist mit den Demonstranten, hätte es nicht auch einer von ihnen sein können? Sehr bald ist klar, dass Pak, der Betreiber, der an diesem Tag nicht an seinem vorgesehenen Platz gewesen war, sondern die Demonstranten verscheuchen wollte, etwas gesehen hat. Aber was? Wer hatte noch alles ein Motiv? Und vor allem: was geschah an diesem Abend wirklich?

 

Es wird ziemlich schnell deutlich, dass jeder der Charaktere etwas mit sich herumträgt. Jeder hat Geheimnisse, Dinge, für die er sich schämt, oder die ihm peinlich sind, oder schlimme Dinge, die derjenige getan hat. Man könnte meinen, es gehe nur darum, ob Elizabeth schuldig oder unschuldig ist, doch es dauert nicht lange und man erfährt, dass nicht alles schwarz oder weiß ist, dass Elizabeth nicht entweder Heilige oder Teufel ist.

 

Es ist wirklich schrecklich, was dort passiert ist. Wenn der Ablauf der Explosion und des Feuers beschrieben wird, und wie die Leute verletzt wurden, das ist echt nicht leicht zu lesen und zu ertragen. Die Beschreibungen sind teilweise sehr detailliert.

 

Was mir sehr gut gefallen hat, waren unter anderem die Zeichnungen. In dem Buch sind einige Zeichnungen / Grafiken enthalten, die dabei helfen den Überblick zu behalten. Wo sich was auf dem Gelände befindet, wie was genau funktioniert. Die haben wir dem Prozess zu verdanken, in dem sie als Schaubilder dienen.

Zudem fand ich es toll, wie man am Anfang den Sachverhalt hingeknallt bekommen hat: Viele verletzte, zwei Tote, Elizabeth wegen u.a. Mordes angeklagt und die Indizien sprechen gegen sie. Man neigt irgendwie dazu ganz zu Beginn das alles unhinterfragt zu glauben. Zudem lässt die Staatsanwaltschaft nichts unversucht einen davon zu überzeugen. Doch die Charaktere sorgen für Zweifel. Man kommt irgendwann an den Punkt, an dem so ziemlich alles möglich ist. Je mehr zu Wort kommen, je mehr aus ihrer Sicht erzählen, desto vielschichtiger wird die Handlung. Jeder hat etwas zu verbergen, jeder hat ein Motiv, sei es nun ein realistisches oder ein unrealistisches.

 

Die Auflösung ist heftig. Das hätte ich so nicht erwartet. Klar ist mir der Gedanke mal in den Sinn gekommen, aber, dass es dann wirklich so gewesen sein könnte, das hat mich dann doch schockiert.

 

 

Fazit: Eine Tragödie ist geschehen. Viele Menschen wurden verletzt, zwei getötet. Eine Frau steht vor Gericht. Fast jeder hält sie für schuldig. Aber ist sie es auch? 

Dieses Buch ist wirklich faszinierend. Es zeigt wie viele kleine Dinge eine Ereigniskette ergeben, die schließlich zu einer Tragödie führten. Jeder Charakter in diesem Buch hat etwas zu verbergen, fast jeder macht sich irgendwie verdächtig. Das gesamte Buch hindurch erhält man durch die verschiedenen Sichtweisen der Charaktere Puzzlestückchen. Da sie aber durch die Sicht der Charaktere eingefärbt sind, passen sie oft nicht ganz. Die Subjektivität ihrer Erinnerungen und Gedanken macht deutlich, wie viel so oder so interpretiert werden kann. Man erfährt immer mehr Einzelheiten und muss aufpassen nicht in ihrer schieren Menge unterzugehen. Die Auflösung ist wirklich heftig und kommt unerwartet. Ich finde sie aber gut. Ich mag es, überrascht zu werden.

 

Mir hat das Buch sehr gut gefallen, aber man muss zwischendrin aufpassen, nicht den Faden zu verlieren, weil man wirklich extrem viele Informationen bekommt. Es zieht sich dadurch etwas, aber es lohnt sich wirklich dran zu bleiben. Es steckt sehr viel in diesem Buch, mehr als man je vermutet hätte.

 

Trotz meiner Kritikpunkte bekommt es von mir 5 Sterne, weil mich die schiere Wucht dessen, was dieses Buch alles enthält einfach umhaut.