Rezension

Ein Experiment ohne Kontrolle

Das Experiment, Black Box - Mario Giordano

Das Experiment, Black Box
von Mario Giordano

Zu diesem Buch und den dazu gedrehten Film, habe ich bisher immer Abstand gehalten, da ich über die behandelnde Thematik Bescheid wusste. Ich kann es einfach nicht sehen wenn Menschen erniedrigt werden, da es mir emotional meist sehr nahe geht. 

Trotzdem fasste ich jetzt Mut und traute mich nicht nur das Buch zu lesen sondern sogar den Film zu sehen. 
Diese Rezension befasst sich aber nur mit dem Buch.

"Versuchspersonen gesucht"

Es klingt doch eigentlich verlockend, wenn man für 14 Tage an einem streng kontrollierten Experiment teil nimmt, welches dann auch noch gut bezahlt wird. Das Einzige was man tun muss ist Wärter oder Gefangener sein. Hört sich leicht an, oder? 

Kaum hat man die Hinweise zum Experiment hinter sich gelassen, taucht man erst einmal in die Welt von Tarek ein, welcher als Journalist einer heißen Story auf der Spur ist. Das aber genau diese Story sein restliches Leben verändern wird, ahnt man weder als Leser noch er selbst als Charakter. 

Das Buch und das beschriebene Experiment erleben wir aus mehreren Sichten. Diese können mal mehr oder weniger wichtig sein, bestimmen aber die Spannung im Buch. Als Leser scheint man teilweise über allen zu stehen und den Blick auf das Ganze zu haben. Dies zeigt sich daran das wir sowohl alles vom Experiment mitbekommen, als auch das  was außerhalb davon passiert. 

Spannend ist dabei besonders der Aufbau der Story, da man die Hilflosigkeit bei einigen Charakteren aus jedem Wort ableiten konnte. Manchmal fürchtete ich die nächste Seite, da ich einen Protagonisten nicht weiter leiden sehen wollte. Da aber die Neugier und die Hoffnung auf ein gutes Ende sehr stark war, las ich natürlich weiter. 

Am Ende war ich geschockt. Ich war traurig, wütend und konnte einfach nicht fassen, was da gerade auf den Seiten passiert war. Aber genauso sollte ein guter Psychothriller sein und das war er auch. Gerade die Beschreibungen zu den Demütigungen und Folterungen gaben einen zu denken ob man den ähnlich gehandelt hätte und hinterließen dabei einige Gedankenfäden.

Lobenswert ist dazu wie authentisch die Charaktere waren und wie sie sich im Laufe des Experiments veränderten. Es war gerade zu beängstigend zu lesen, wie der Autor es schaffte einen ehr schüchternen Menschen in einen Tyrann zu verwandeln. Auch umgekehrt fand dieser Wechsel statt, da selbst vorlaute Gefangene zu stillen Wesen wurden, die parierten. 

12 Gefangene und 9 Wärter, wobei je Schicht 3 Wächter Dienst haben. Klingt doch eigentlich plausibel und recht human. 

Doch das Buch beweist, wie anders wir denken, wenn wir die Kontrolle über ein paar Menschen haben, die uns wehrlos ausgeliefert sind. Man könnte hier als Beispiel auch die Schulhof-Gang nehmen, welche sich den Schwächsten sucht um ihm zu vermöbeln und sein Essensgeld abzunehmen.

Gerade Tarek macht im Buch eine große Verwandlung durch. Vor dem Experiment ist er ein Frauenheld welcher bei Problemen gerne zu seiner Schwester rennt, die ihn dann auch gerne aufnimmt. Anfangs hat er noch ein großes Mundwerk, wobei er schnell merkt das dies nicht nur ihn schadet sondern auch seinen Mitgefangenen. Er kümmert sich um seines gleichen, wobei er nie sein Ziel aus den Augen lässt, diese Geschichte zu veröffentlichen.

Dora, verbringt eine Nacht mit Tarek. Danach wird sie zu einer wichtigen Schlüsselfigur, da sie sich hartnäckig dafür einsetzt das Tarek nix im Gefängnis passiert. Trotzdem konnte ich nicht sehr viel mit ihr anfangen, da sie absolut nix besonderes an sich hatte. 

Besonders spannend empfand ich den Konflikt zwischen den 2 Professoren die das Experiment bewachten. Wo Dr. Grimm die Überschreitung von Grenzen und Regeln schnell bemerkte, übersah Dr. Thon sie förmlich, da er nur sich und seinen Abschlussbericht sah. Es war gerade zu traurig zu sehen, wie viel er den Wärtern durchgehen ließ.

Man merkt, dass das Buch recht komplex ist, da man gedanklich nicht nur bei einer Person ist. Man erfährt die Gedanken der Gefangenen, der Wärter, aber auch die der Professoren und man ist stetig am schwanken ob man dies alles gut heißen kann oder nicht. Selbst nachdem zuschlagen des Buches, kann ich die Handlungen und die Story allgemein nicht vergessen. Kein Wunder bei den Erlebnissen.

Das Cover stammt aus einer Szene des Filmes und spiegelt sehr gut wider wie heftig das Buch ist. Man sieht einen Mann, welcher sich klein gemacht hat und pure Verzweiflung ausdrückt. 

An der Schriftart von Buchtitel und Autorenname sieht man das Alter des Buches. Gerade der Buchtitel erinnert stark an Akte X und hätte nach meinem Geschmack ruhig ein wenig größer sein dürfen. 

Ein Buch für den Kopf, das ein dazu bringt über die eigenen Handlungen nachzudenken.