Rezension

Ein fantastisches Abenteuer aus 1001 Nacht

Zorn und Morgenröte - Renée Ahdieh

Zorn und Morgenröte
von Renee Ahdieh

Schon als kleines Mädchen habe ich Märchen geliebt. Konnte komplett in die fantastischen und magischen Welten eintauchen und wenn auch nur für kurze Zeit selbst die wunderschöne Prinzessin, der edle Ritter oder auch der bösartige Schurke sein. Auch in Zorn und Morgenröte waren märchenhafte Elemente zu finden, doch anders als bei den fröhlichen Kindergeschichten, bei denen das Gute immer über das Böse siegt und das Happy End fester Bestandteil der Geschichte ist, bleibt der Ausgang dieser Geschichte noch ungewiss. Die düstere und bedrohliche Atmosphäre, die hier erschaffen wird, sorgt zusammen mit der exotisch orientalischen Umgebung für Spannung. Als Leser bekommt man das Gefühl, Teil eines Geheimnisses zu werden, dessen Bedeutung und Wichtigkeit über einen selbst hinausgeht.
Der Einstieg in die Geschichte war anfangs nicht ganz leicht. Da die Handlung im Orient spielt und sowohl Namen als auch die Speisen, die Kleidung und ähnliches unbekannt klingen, musste ich zuerst einmal die aufkommende Fremdheit abschütteln und mich auf die neue Umgebung und dortige Mentalität und Lebensweise einstellen. Das Glossar, in dem die fremdartigen Begriffe erklärt werden, erleichterte diesen Prozess ungemein und ließ mich zusätzlich noch einiges über diese mir unbekannte Welt lernen. Ich habe mich sofort in das orientalische Setting und die Kultur verliebt und konnte zusammen mit der Protagonistin Shahrzad in eine neue Welt eintauchen.
Shahrzad ist eine starke und unabhängige junge Frau. Angetrieben von einer unbändigen Wut auf den Kalifen ist sie bereit alles zu tun, um ihre Freundin zu rächen und Chalid zu töten. Doch der Wunsch nach Vergeltung ist nicht alles, was sie antreibt. Auch möchte sie herausfinden, warum der junge Herrscher von Chorasan überhaupt so grausam ist und jeden Morgen ein neues Mädchen töten lässt. Dafür muss sie allerdings den nächsten Morgen überleben und Chalid näher kommen, um ihn zu verstehen. Schnell weckt sie sein Interesse und auch Misstrauen, doch auch Chalid will mehr über das mutige und unerschrockene Mädchen erfahren und kommt ihr somit näher. Shahrzad ist eine sehr forsche und direkte Person. Zudem ist sie sehr stolz und hat auch eine hochnäsige Seite. Auch wenn sie sich nach Außen hin beherrscht und selbstsicher zeigt, tobt in ihr ein Sturm von Gefühlen, dem sie nur schwer Einhalt gebieten kann. Auch Chalid ist für ihren inneren Aufruhr verantwortlich. Obwohl sie ihn eigentlich hassen möchte, fühlt sie sich von ihm magisch angezogen und möchte unbedingt erfahren, was er zu verbergen hat. Chalid ist wie eine Blume. Anfangs ist er noch distanziert und in sich zurückgezogen. Wie bei einer verschlossenen Knospe, weiß man nicht, was in ihm vorgeht. Nach Außen hin zeigt er die Fassade eines arroganten und mächtigen Herrschers, doch dies ist nur das Bild, dass er von sich erschaffen hat, um andere zu blenden. Nur Shahrzad lässt sich nicht so leicht täuschen. Auch wenn sie an ihrem Hass für ihn festhalten will, fängt sie doch an ihn zu verstehen, wie niemand sonst. In ihrer Gegenwart beginnt Chalid aufzublühen wie eine wunderschöne Blüte und es lässt sich immer mehr erahnen, was für ein Mensch wirklich in seinen Inneren schlummert.
Die zarte Annäherung zwischen Shahrzad und Chalid ist wunderbar beschrieben und schön mitzuverfolgen. Denn nicht nur für den Leser ist alles neu und frisch, sondern auch Chalid und Shahrzad sind nicht auf die starken neuen Gefühle vorbereitet und werden von ihrer Heftigkeit unerwartet getroffen.
Das besondere an dieser Liebesgeschichte ist allerdings, dass sie Chalid und Shahrzad nicht ihrer Eigenständigkeit und Unabhängigkeit beraubt. Beide sind individuelle und vielschichtige Protagonisten, die auch ohne den anderen existieren können. Auch wenn sie mir im Doppelpack gefallen, habe ich auch mit großem Interesse ihre eigenen Reisen mitverfolgt. Obwohl sie sich bei ihrer Entwicklung gegenseitig beeinflusst haben, ist doch jeder seinen eigenen Weg gegangen, um zu sich selbst zu finden.

Die Handlung konzentriert sich zwar hauptsächlich auf die Liebesgeschichte, allerdings passiert noch so viel nebenbei, dass nie Langweile oder Eintönigkeit aufkam und der Spannungsbogen kontinuierlich oben gehalten wurde. Besonders am Ende überschlagen sich die Ereignisse und versetzen nicht nur die Gemüter der Protagonisten, sondern auch die der Leser in Aufruhr.

Geschrieben ist die Geschichte hauptsächlich aus der Sicht von Shahrzad und auch Chalid. Einzelne Kapitel werden auch aus Sicht von Tarik - einem Kindheitsfreund und erste Liebe von Shahrzad - sowie ihrem Vater erzählt. Generell sind alle Nebencharaktere sehr vielschichtig und überzeugend in ihrer Gestaltung und Ausarbeitung.
Der fast poetische Schreibstil katapultiert den Leser sofort in die magische Welt aus Tausendundeine Nacht, in der selbst die kleinsten Dinge faszinierend, mystisch und unerwartet erscheinen und jeder Tag und jede Geschichte einem neuen Abenteuer gleicht.

Fazit:
Zorn und Morgenröte konnte mich absolut und vollkommen von sich überzeugen. Begleitet von einer starken Protagonistin taucht man ein in die magische und fantastische Welt des Orients. Während Shahrzad sich immer mehr ihren auflebenden Gefühlen für den Kalifen Chalid hingab, verliebte ich mich Stück für Stück in diese zauberhafte Welt mit all ihren Geheimnissen und Rätseln.