Rezension

Ein farbenfrohes Kaleidoskop der syrischen Gesellschaft – verpackt in einen Kriminalfall. Sehr lesenswert.

Die geheime Mission des Kardinals - Rafik Schami

Die geheime Mission des Kardinals
von Rafik Schami

Bewertet mit 5 Sternen

Wer gegen das Unrecht kämpft, wird sich nie langweilen.

Kommissar Barudi steht kurz vor seiner Pensionierung. Da bekommt er einen neuen Fall auf den Tisch: 2010 erhält die italienische Botschaft in Damaskus eine Olivenöl-Lieferung. Doch in dem Fass befindet sich der Leichnam eines Kardinals. Um die Beziehungen zu Italien nicht zu gefährden und die delikaten Ermittlungen voranzutreiben, bekommt Barudi Unterstützung von einem italienischen Kollegen, Commissario Marco Mancini. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach dem Mörder – und unternehmen dabei eine eindrucksvolle Reise durch ein Syrien, das vom Bürgerkrieg noch nicht gebeutelt ist.

Dieser auf dem Fundament eines Kriminalfalls stehende Gesellschaftsroman aus der Feder von Rafik Schami ist im Juli 2019 bei Hanser erschienen und umfasst 432 Seiten.

Zu Recht zählt Rafik Schami zu den großen zeitgenössischen, deutschsprachigen Autoren. In diesem Roman beweist er sein Vermögen, mit bildhafter Sprache, poetischen Elementen und teils salopper Ausdrucksweise umzugehen und darüber hinaus hieraus ein in sich stimmiges, mitreißendes Werk zu konstruieren. Auch Humor kommt in diesem Roman nicht zu kurz, wenn Barudi z.B. Mancini auf die Stirn küsst und sagt: „Gesegnet sie die Milch deiner Mutter. Sie hat ihren Zweck erfüllt.“  Insgesamt legt hier Schami ein abwechslungsreich zu lesendes und gleichzeitig lehrreiches Buch vor.

Gemeinsam mit seinem italienischen Gefährten durchreist der Syrer ein Land, das den meisten Deutschen eher unbekannt sein dürfte. Gerade dieses macht einen großen Teil des Reizes dieses Romans aus. Man lernt große Städte wie Damaskus kennen, die fast schon europäisch wirken, findet sich wenig später in kleinen Dörfern wieder, deren Bevölkerung eher naiv und ungebildet erschient, und ist schließlich mit den Kommissaren zu Gast in einem Islamisten-Lager. Genau so bunt wie das Land sind auch seine Bewohner. Doch gerade Letzteres führt immer wieder zu Problemen. Insbesondere anhand des christlichen-syrischen Polizisten wird ersichtlich, welchen Einfluss religiöse Strömungen auf die syrische Gesellschaft haben.

Doch nicht nur die Religion erschwert die Arbeit der Kommissare. Was nicht verwundert, hier aber klar und deutlich zu Tage tritt: Der Geheimdienst hat seine Augen überall, Beziehungen zählen mehr als Können, politisches Kalkül steht über jeder Gerechtigkeit. So überrascht es nicht, dass am Ende der intelligent konstruierte Kriminalfall zwar aufgelöst wird, sich für Barudi aber als Niederlage erweist.

Der Roman wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt. Neben dem Erzähler in der dritten Person geben Barudis Tagebucheinträge einen guten Einblick in seine eigene Entwicklung, seine persönliche Sicht auf die Gesellschaft und nicht zuletzt in seine Einsichten in das Kriminalgeschehen. In Dialogen insbesondere mit Mancini, die einen großen Raum in diesem Werk einnehmen, werden Gesellschaft, Land und Verbrechen ebenfalls kommentiert und charakterisiert.

Das Cover mit seiner arabischen Kalligrafie ist ein echter Hingucker und war auch das Erste, was mich dazu veranlasst hat, mir dieses Buch genauer anzuschauen. Die Hardcover-Ausgabe mit Lesebändchen ist hochwertig.

Alles in allem hat Rafik Schami mit seinem Roman ein buntes Kaleidoskop der syrischen Gesellschaft geschaffen – verpackt in einen spannenden Kriminalfall. Ein Buch, das ich allen, die einmal etwas mehr über die syrische Gesellschaft erfahren und dabei mit Niveau unterhalten werden möchten, nur wärmstens empfehlen kann.