Rezension

Ein Fast-Thriller im Breitwandformat mit überzogenem Finale

Verratenes Land - Greg Iles

Verratenes Land
von Greg Iles

Bewertet mit 4 Sternen

Nach fast drei Jahrzehnten kehrt Marshall McEwan in seine Heimatstadt Bienville in Mississippi zurück - er will seiner Mutter zur Seite stehen, die ihren schwer krebskranken Ehemann pflegt. Als sein Ziehvater Buck Ferris unter mysteriösen Umständen tot aufgefunden wird, beginnt Marshall zum Unwillen der örtlichen Polizei auf eigene Faust zu ermitteln und beschwört damit einen Skandal herauf, der nicht nur seine, sondern die Existenz der gesamten Stadt bedroht.
Bis auf zwei kleine Kapitel werden die mehr als 820 Seiten aus der Perspektive von Marshall, einem erfolgreichen Washingtoner Journalisten, erzählt. Er beschreibt die vermutlich nicht ganz unübliche Situation einer kleinen Stadt, deren Geschicke von einigen wenigen mächtigen, reichen, weissen alten Männern, dem "Bienville Pokerclub", gelenkt werden, wobei das Interesse an deren eigenem Vorteil natürlich an erster Stelle steht. Als ein chinesisches Konsortium eine Investition in Millionenhöhe plant, unternimmt der Pokerclub alles, wirklich alles, um diese Investition nicht zu gefährden.
Wie es in kleineren Orten und Städten üblich ist, kennt jeder jeden und jede, Geheimnisse sind nur schwer zu bewahren. Greg Iles lässt sich ausreichend Zeit die bestehenden Verbindungen darzustellen, die sich aus einer gemeinsamen Vergangenheit zwangsläufig ergeben, wofür er mehr als die ersten 200 Seiten braucht. Schwerpunkt ist vor allem die Vergangenheit von Marshall McEwans, was zwar nichts mit einem Thriller zu tun hat, aber dennoch spannungsreich erzählt wird. Es geht um Liebe, Freundschaft, Kriegstraumata, Verrat, Aufrichtigkeit - praktisch ganz grosses Hollywoodkino ;-)
Die eigentliche Geschichte, die nun beginnt, ist nicht weniger packend. Auch hier werden neben dem Kampf ums Überleben und der Suche nach den Mördern grosse Themen angeschnitten: Loyalität, Vater-Sohn-Beziehung, Wahrheit oder Pragmatismus. Es ist eine ganze Menge, die der Autor hier hineinpackt, stellenweise fand ich es von allem zu viel des Guten. Insbesondere den letzten Teil, wo Halbtote einen Showdown präsentieren, völlig am Boden Zerstörte plötzlich eine Energie aufbringen, die mich nur noch den Kopf schütteln liess oder ein Dutzend Männer sich von einem mehr oder weniger blutrünstigen Haufen ratzfatz zu halbwegs rationalen, harmlosen Schmusekatern verwandeln. Ich glaube, der Autor sah hier bereits den kommenden Blockbuster vor sich, für den ein solches Ende wohl zwangsläufig ist.
Trotz der genannten Mängel sind diese mehr als 820 Seiten doch ganz grosses Kino ;-)