Rezension

Ein fast vergessener Schatz der amerikanischen Literatur

Ein anderer Takt - William Melvin Kelley

Ein anderer Takt
von William Melvin Kelley

Südstaaten - Rassenkonflikte - Afrokamerikaner - weiß-schwarz - Gesellschaftliche Konflikte - Familiäre Konflikte - Klassiker der amerikanischen Literatur - Sklaverei

          Dieser Roman erschien erstmal 1960 und wurde jetzt neu aufgelegt. Und das ist richtig und wichtig. Einerseits aufgrund der literarischen Qualität des Romans. Andererseits aufgrund der Thematik des Romans - von Gleichberechtigung sind Afroamerikaner nämlich weiterhin weit entfernt.

Der Roman spielt in einem fiktiven Südstaaten-Staat, der im Jahre 1957 von allen Afroamerikanern (im Buch noch Neger genannt) verlassen wird. Dies geschieht alles innerhalb von wenigen Tagen. Und die (weiße) Bevölkerung ist ratlos. Beim täglichen Plausch auf der Veranda des kleinen Ladens wird gemunkelt und jeder hat so seine eigenen Anmerkungen. Außerdem kommen in verschiedenen Kapiteln verschiedene Personen zu Wort, die alle irgendwie mit der (vermeintlich) zentralen Figur dieses "Auszugs" zusammenhängen.

Und so wird ein Panorama einer Kleinstadt im Süden der USA entworfen, das vielleicht typisch ist. Einige Bewohner sind liberal und  hoffen auf eine Zukunft ohne Rassenprobleme. Einige hängen noch an den alten Ideen der Südstaaten. Einige verfolgen kommunistische Gesellschaftsvisionen. Einige möchten die Gesellschaft von oben verändern. Und alle stehen einigermaßen fassungslos vor der Tatsache, dass quasi "mit den Füßen" abgestimmt wurde - die Afroamerikaner sind einfach gegangen. In den Norden, keiner weiß genau wohin.

Die möglichen Gründe für den "Auszug" werden eher subtil vermittelt und angedeutet in den Erzählungen der einzeln Personen in den einzelnen Abschnitten. Ebenso subtil wird ein Portrait der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in dieser Zeit dargestellt. Sehr gut hat mir die Stimmung gefallen, die im Roman vermittelt wird. So ein wenig wie bei Carson McCullers, die ich sehr schätze.

Erzählt wird vom Autor konsequent aus Sicht der "weißen" Bevölkerung. Was einerseits verwundert - denn der Autor war Afroamerikaner - andererseits ein interessanter literarischer Schachzug ist. Eine Rolle gespielt haben mag auch, dass der Autor in einem weitgehend "weißen" Umfeld aufgewachsen ist, was Wohnort und Schule betrifft - das steht in der Einführung.

Die ausgiebige Einführung in des Werk des Autors steht am Anfang des Romans. Vielleicht ist diese zu ausgiebig geraten - und vieles wird im Nachwort noch einmal erzählt. Daher diese Einführung besser erst am Ende lesen.
Immerhin weiß ich dadurch jetzt, dass ich die späteren Werke des Autors nicht mehr lesen möchte (sie erscheinen mir zu abgedriftet) aber dieses frühe Werk empfehle ich uneingeschränkt!