Rezension

Ein fesselndes Drama mit historischem Hintergrund

The Hunger - Die letzte Reise - Alma Katsu

The Hunger - Die letzte Reise
von Alma Katsu

Bewertet mit 4 Sternen

»Ich glaube nicht an Monster« (…) »Nur an Menschen, die sich wie welche benehmen.«

Die Eroberung des amerikanischen Westens brachte viele wahre und erfundene Geschichten mit sich. Die »Donner Party« im Jahr 1846 ist eine davon – und dass sie historisch belegt und damit wahr ist, macht sie umso tragischer.
Alma Katsu bediente sich dieses geschichtlichen Ereignisses und fügte eine fantastische Horrorkompenente hinzu. Das Ergebnis kann sich lesen lassen, denn »The Hunger - Die letzte Reise« ist ein wirklich spannender und düsterer Roman, der mich bestens unterhalten hat.

Wer zuvor noch nicht allzu viel von der »Donner Party« gehört hat, für den gibt es hier einen kleinen Exkurs. 1846 brachen 87 Siedler nach Westen auf: Ihr Ziel Kalifornien – Wohlstand, Gold und insgesamt ein besseres Leben. George Donner wird zum Führer des Trecks auserkoren, doch treffen er und seine Begleiter im Juli dann eine fatale Fehlentscheidung. Statt dem erprobten California Trail zu folgen, wählen sie den so genannten »Hastings-Cutoff«, eine vermeintliche Abkürzung über die Wasatch Mountains. Der Trail durch die Berge ist nicht für die schwer beladenen Gespanne geeignet und so verzögert sich die Reise erheblich. Folglich überrascht der frühe Wintereinbruch im Oktober 1846 die Siedler, die nun in der Sierra Nevada in der Falle sitzen, mit aller Härte. Viele starben und die, die überlebten mussten sich zum Teil von den Toten ernähren.

Katsu hat für ihren Roman offensichtlich gut recherchiert. Nicht nur die wichtigen handelnden Personen wie George Donner, James Reed, Louis Keseberg und andere Teilnehmer des Trecks tauchen in ihrem Roman auf, auch die Umstände der beschwerlichen Reise und die Settings sind äußerst lebendig gestaltet. Die Atmosphäre ist drückend und düster. Die Entbehrungen und die zwischenmenschlichen Konflikte sind authentisch dargestellt. Zudem thematisiert Katsu auch Tabus der damaligen Zeit: Homosexualität, Vorurteile gegenüber den indigene Völkern, starke Frauenbilder, Missbrauch und Inzest. Und sie tut dies in keinster Weise aufdringlich oder unglaubwürdig. Die Interaktion der einzelnen Figuren ist durchweg authentisch.

Die Charaktere (aus deren Sicht wir die Geschichte erleben) sind scharf gezeichnet. Nach und nach kristallisieren sich die wichtigen Personen heraus, diese stattet die Autorin im Handlungsverlauf mit immer mehr Hintergrund aus, sodass sie greifbarer werden und man sich gut in sie hineinversetzen kann. Das braucht zwar etwas und gerade anfangs fällt es auch schwer, sich alle Figuren zu merken. Hier hätte ein Personenregister möglicherweise hilfreich sein können.

Auf die mystische Komponente möchte ich nicht im Detail eingehen aber ich fand sie gelungen, auch wenn ich sie nicht zwingend gebraucht hätte. Die eigentliche Geschichte bietet genug Spannung, Grausamkeiten und Atmosphäre, um für sich allein stehend fesselnd zu unterhalten. Der zwischenmenschliche Horror genügt meines Erachtens. Dennoch hat Katsu das fantastische Element geschickt und unaufdringlich mit eingeflochten.

Besonders das Ende fand ich gut gewählt, bietet es doch Raum für Spekulationen und Fantasie, ohne dabei allzu offen zu sein.

Fazit

Ein gelungener fantastischer Roman mit historischem Hintergrund, der mich durchgehend hervorragend unterhalten hat. Die unheimliche und düstere Atmosphäre, der flüssige Schreibstil, die gute Charakterzeichnung und das Zusammenspiel der Figuren bieten für Interessierte einige tolle Lesestunden. Trotz minimaler Kritikpunkte gibt es von mir deshalb auch eine klare Leseempfehlung.