Rezension

Ein Fest für Lesende

Der Buchspazierer -

Der Buchspazierer
von Carsten Henn

Bewertet mit 4 Sternen

Carl Kollhoff war Buchhändler mit Leib und Seele. Jetzt wo, er „zum alten Eisen gehört“ liefert er nach Ladenschluss Buchbestellungen an spezielle Kundschaft aus. Seine allabendlichen Buchspaziergänge sind für Carl ein liebgewordenes und wichtiges Ritual. Für ihn und die Menschen, die er besucht ist es oft der einzige zwischenmenschliche Kontakt. Doch dieses besondere Service soll bald eingestellt werden, zu wenig profitabel, behauptet die Besitzerin der Buchhandlung. Eine ungeahnte Wendung, die Carls Leben auf den Kopf stellt, bringt seine Begegnung mit der neunjährigen Schascha mit sich.

„Der Buchspazierer“ von Carsten Henn, in der Hörbuchversion gelesen von Reinhard Kuhnert, ist eine liebenswerte Geschichte mit Wohlfühlcharakter über die Liebe zum Lesen und zu Büchern. Der Sprecher vermittelt mit seiner ruhigen und sonoren Stimme überzeugend das Gefühl dem Protagonisten Carl Kollhoff nahe zu sein.

„Carl unterschied Leser in Hasen, Schildkröten und Fische. Er selbst war ein Fisch und ließ sich in einem Buch treiben. Mal gemächlich, mal schnell.“

Carls Leben ist der Literatur, den Büchern, dem Lesen und den Lesenden gewidmet. Außerhalb seiner Bücherwelt ist Carl einsam und zurückgezogen.

„Er war der Welt, wie er sich manchmal eingestand, ein wenig abhandengekommen.“

Es sind ausgewählte Personen, denen Carl regelmäßig Bücherlieferungen bringt. Alle haben ihre besonderen Eigenheiten, Sorgen und Ängste. Für alle hat Carl Namen aus der Literatur gewählt: Effie Briest für die Frau mit dem gewalttätigen Ehemann, die so gerne romantische Bücher liest. Mr. Darcy für den schwerreichen aber äußerst introvertierten Leser von Klassikern. Herkules für den muskulösen Riesen, der gar nicht lesen kann, und noch einige andere mehr….

Die kleine Schascha bringt ordentlich Schwung in die verstaubte Routine. Nicht nur Carl, sondern auch dessen „Schützlingen“ wird durch das altkluge und verschmitzte Mädchen gehörig der Kopf verdreht.

Das ist auch der Punkt, der dem Buch einen Kritikpunkt einbringt. Die Personen sind stereotype Abziehbilder. Dass die Rolle der „bösen Hexe“ von der Buchhändlerin übernommen werden musste, hat mich fast ein wenig gekränkt. Das Leben ist nicht ganz so einfach, dass ein aufgewecktes Kind sämtliche Probleme mit seinem Lachen wegzaubern könnte. Aber es wäre natürlich schön, wenn es so wäre.

Davon abgesehen ist „Der Buchspazierer“ eine charmante Hommage auf das Lesen und das Leben mit Büchern sowie ein Fest für Lesende und bereitete mir angenehme Lese- beziehungsweise Hörstunden.