Rezension

Ein früher Exilroman von 1933

Das Vaterland -

Das Vaterland
von Heinz Liepman

Bewertet mit 4 Sternen

Als der Fischdampfer „Kulm“ im März 1933 nach zwei  Monaten vom Fang vor Island nach Hamburg zurückkehrt, existiert  die Welt von Kapitän Schirmer und seiner Besatzung nicht mehr. Das erste Schiff, das ihnen in der Elbmündung begegnet, trägt eine Hakenkreuzflagge, die Bug-Flagge der Kulm mit der Gösch des Kaiserreichs in der linken oberen Ecke ist Geschichte. Ob ein Besatzungsmitglied Sozialist, Kommunist, Katholik oder Jude ist, worüber bisher evtl. nur flüchtig gewitzelt wurde, entscheidet von nun an  über das Überleben einer Person.  Drei Besatzungsmitglieder sind überzeugte Sozialdemokraten, einer Nationalsozialist, einer vermutlich zentrumsnah. Arthur, der Jude,  will die Gefahr noch nicht sehen,  überzeugt,  ihm als Kriegsveteran und Deutschem seit Generationen werde nichts geschehen.

Als von der „Kulm“  aus in Fahrtrichtung ein Schwimmer gesichtet wird, der nach seiner Rettung entsetzt von Bord flieht, ahnt man aus heutiger Sicht, dass der Mann hoffte, von einem  ausländischen Schiff aufgenommen zu werden, vermutlich auf der Flucht vor Gestapo und Lagerhaft. Zuerst wird  Käptn Schirmer (deutschnational eingestellter  Sohn eines Kriegsteilnehmers von 1870/71) einsehen, dass er und seine Männer zu Fremden im eigenen Land geworden sind. Sein Ansehen und der entgegengebrachte Respekt beruhten bisher auf seiner Erfahrung, Verantwortung für Schiff und Mannschaft und darauf, dass er als Sohn und Enkel  von Lotsen in der Elbmündung selbst keinen Lotsen an Bord nehmen musste. Ausgerechnet Schirmer, der noch geglaubt hatte, dem Flüchtenden würde an Land geholfen, wird kurz darauf verhaftet, misshandelt und belehrt, wie er sich zukünftig zu verhalten hat. Außer Arthurs Cousin, dem Zigarettenhändler Alfred, treffen wir Spitzel und Profiteure des Systems,  eine jüdischen Frau, deren Mann die Scheidung fordert, um seinen eigenen Kopf zu retten, und erleben ein an das KZ Wittmoor angelehntes Lager, das hier auf eine Insel in der Elbe verlegt wird.

Fazit

Als Roman ist „Das Vaterland“ aufgrund der deutlichen Absicht zu belehren und zu warnen und des pathetischen Tons keine leichte Kost. Hochinteressant informiert allerdings das Nachwort Wilfried Weinkes über Heinz Liepmans Biografie, seine ungeheure Produktivität in den Jahren 1929 bis 1930 und die Entstehung dieses Romans.

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Die Ausgaben  

1933 als „Ein Tatsachen-Roman aus dem heutigen Deutschland“ bei Van Kampen & Zoon, Amsterdam

Übersetzt ins Polnische, Englische, Niederländische und Norwegische

1979 – Mit einem Vorwort von Heinrich Böll. Konkret Verlag, Hamburg, (Bibliothek der verbrannten Bücher) 978-3922144021

1981, 2018 Fischer TB 978-3596251704