Rezension

"Ein ganz klein wenig Süßes kann viel Bitteres verschwinden machen." (Francesco Petrarca)

Die Schokoladenvilla – Zeit des Schicksals
von Maria Nikolai

Bewertet mit 5 Sternen

1936 Stuttgart. Als ihr Vater Victor, der Patriarch der Schokoladendynastie Rothmann, an einer Lungenentzündung stirbt, bricht Viktoria Rheinberger ihre Chocolatière-Lehre in Frankreich ab, um zu ihrer Familie nach Stuttgart zurückzukehren. Dort steht sie vor der Mammutaufgabe, gemeinsam mit ihrer Mutter Judith die familiengeführte Fabrik fortzuführen. Doch inzwischen führt das Hitler-Regime in Deutschland den Ton an und hat harte Regeln, die es Frauen nicht erlaubt, ein Unternehmen zu leiten, was auch die beiden Frauen zu spüren bekommen. Zudem steht die Konkurrenz schon Schlange, die Fabrik übernehmen zu wollen. Auch der amerikanische Geschäftsmann Andrew Miller, der vor Jahren von den Rheinbergers einen Kredit erhalten hat, stattet dem Unternehmen einen Besuch ab. Miller kann seine Zahlungen nicht mehr leisten aufgrund von internen Machenschaften und erhofft sich von Judith eine Verlängerung der Rückzahlung. Während Viktoria und Andrew sich ineinander verlieben und gemeinsam nach Amerika gehen, wird die Judenverfolgung in Deutschland immer drastischer, was sich auch auf die Schokoladenfabrik Rothmann auswirkt….

Maria Nikolai hat mit „Zeit des Schicksals“ den finalen Band ihrer „Schokoladenvilla“-Reihe vorgelegt, der sowohl in Hinblick auf den historischen Hintergrund als auch mit einer ereignisreichen Geschichte den Vorgängerbänden an Spannung und Emotionen in nichts nachsteht. Der flüssige, farbenprächtige und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser erneut in den Kreis der Familie Rheinberger einziehen, wo er hautnah sowohl das Schicksal der Schokoladenfabrik als auch das der einzelnen Familienmitglieder miterleben darf. 10 Jahre sind seit dem letzten Wiedersehen vergangen, doch fühlt der Leser sich sofort wieder heimisch inmitten liebgewonnener Protagonisten, was das Eintauchen in die Handlung zu einem Genuss macht, denn nicht nur die Geschichte betört, sondern auch die Beschreibung der Herstellung unterschiedlichster Köstlichkeiten. Der akribisch recherchierte historischen Hintergrund wird wunderbar mit der Familiengeschichte verwoben, so dass der Leser nicht nur die Härten des Hitlerregimes miterlebt, sondern auch das scheinheilige Treiben der Regierung während der Olympischen Spiele 1936 mitverfolgt, wobei Beklemmung und Gänsehautmomente garantiert sind. Während der Lektüre erwartet den Leser nicht nur ein grandioses Kopfkino, sondern führt ihn von Frankreich zurück nach Deutschland und auch über den großen Teich nach Amerika, um neben Leid und Liebe sowie geschäftlicher Sorgen auch noch die eine oder andere Intrige zu erleben. Der Spannungslevel zieht sich durch die gesamte Handlung und hält den Leser mit einem zusätzlich gelüfteten Familiengeheimnis durchgehend in Atem.

Die liebevoll gestalteten Charaktere versprühen Leben und Authentizität, mit ihren menschlichen Ecken und Kanten wachsen sie dem Leser schnell ans Herz, so dass er sich als Teil von ihnen fühlt und ein Mitfiebern leicht macht. Judith muss einen schweren Schicksalsschlag verkraften, hat sie doch ihre große Liebe verloren. Aber ihr bleibt keine Zeit zu trauern, denn das Unternehmen benötigt all ihre Kräfte. Viktoria ist mit ihrem Ideenreichtum und ihrem Geschäftssinn eine große Hilfe, zusätzlich besitzt sie Stärke und Kampfgeist. Andrew Miller ist ein sympathischer Mann, der allerdings erst einmal unter die Lupe genommen werden will. Aber auch andere Protagonisten, allen voran Ortsgruppenleiter Weber spielen gewichtige Rollen in dieser Geschichte.

„Zeit des Schicksals“ punktet auf ganzer Linie wieder einmal mit wunderbar recherchiertem historischem Hintergrund, einer ansprechenden Familiengeschichte, Intrigen, Liebe, Leid und Geheimnissen, die das Gefühlsbarometer Achterbahn fahren lassen inklusive einem herrlichen Kopfkino. Der Abschied von der Schokoladenvilla tut weh, das Lesen war ein echter Genuss! Absolute Leseempfehlung – Chapeau!!!