Rezension

Ein ganz persönlicher Fall für Bodenstein

Im Wald - Nele Neuhaus

Im Wald
von Nele Neuhaus

Bewertet mit 4 Sternen

Dies ist nunmehr der achte Fall für das Ermittlerduo Bodenstein und Kirchhoff, wobei letztere ja nun den Namen Sander trägt. Hoffentlich wird es nicht der letzte Fall der beiden sein.
Dieser Band ist etwas anders gestaltet als die anderen Teile: Bisher war es so, dass die Nebencharaktere oder gar der Täter viel Raum eingenommen haben und auch aus deren Perspektive erzählt wurde. Zwar gab es immer noch Nebencharaktere – eigentlich sogar recht viele – doch deren Bedeutung hatte in Die Lebenden und die Toten schon abgenommen und nun noch mehr. Eine klassische „Mörderperspektive gibt es gar nicht mehr. Das ist an sich nicht schlimm, sondern ich finde es dagegen gut, dass nicht alle Fälle nach demselben Schema ablaufen. Hier gibt es jedoch noch einen weiteren Unterschied: Der Fokus des Buches liegt eindeutig bei Bodenstein. Nicht nur dass er mit seinem bald stattfindenden Sabbat-Jahr einen möglichen Schlussstrich unter seine Arbeit als Mordermittler ziehen könnte, lässt ihn in den Mittelpunkt rücken, sondern der Fall tut sein Übriges dazu bei. Zum einen da er in Bodensteins Wohn- und Heimatort Ruppertshain spielt, zum anderen da zahlreiche seiner ehemaligen Klassenkameraden in die Sache verwickelt zu sein scheinen – auch Inka. So ist es kein Wunder, dass einige Dinge aus Bodensteins Vergangenheit ans Tageslicht kommen, die ihn schon lange beschäftigt haben. Auch diese Entwicklung und der Fokus auf Bodenstein haben mir gut gefallen. Vor allem da der Fall aufgrund der Vielzahl von involvierten Personen so unübersichtlich war und ich mir beim besten Willen nicht herleiten konnte, wer denn nun der Täter ist.
Soweit ist dieser Krimi also einer von den wirklich guten. Meiner Meinung nach hätte Neuhaus allerdings noch eine Schippe drauflegen können, indem sie noch mehr „Nebenhandlung“ der Ermittler in das Buch integriert hätte. Zwar steht Bodenstein im Fokus des Geschehens und sein Privatleben entwickelt sich weiter, doch leider darf der Leser nicht wirklich an diesem Privatleben teilhaben.  Zugegeben, viel „reale“ Zeit hatte Bodenstein nicht für sein Privatleben, dennoch hätte ich mir ein Mehr gewünscht, denn so bleibt es weit weg und wirkt irgendwie unrelevant, dabei passiert mit der Figur in diesem Teil gerade so viel. Da hätte man noch einiges herausholen können. Zudem hatte ich das Gefühl sowohl bei ihm als auch bei Pia etwas verpasst zu haben. Woher kommt auf einmal der Schritt zum Sabbat-Jahr? Wie genau hat sich seine Beziehung eigentlich entwickelt? Wie war die Hochzeit von Pia?
Ohnehin finde ich, dass Pia hier etwas arg zu kurz kommt. Ihr Privatleben wird praktisch nicht erwähnt und Christoph darf gar nicht mehr mitspielen. Zwar spielt der Fall wie gesagt in sehr kurzer, arbeitsreicher Zeit für die Ermittler und mir ist auch klar, dass man in einem Krimi bei dem der Fall im Fordergrund steht nicht alles (wie die Hochzeit) ausspielen kann, dennoch fehlen mir solche „privaten“ Szenen, die ich an einem Krimi sonst so schätze, hier schon sehr. Mit mehr Hintergrundgeschichten der Ermittler, wäre es ein wirklich tolles rundes Buch gewesen. Und es ist besonders schade, da es aufgrund des sehr persönlichen Falls für Bodenstein so viel Potential geben hätte.
Man könnte auch anders formuliert sagen: Diesem Fall hätten ein paar mehr Seiten für Hintergundgeschichten sehr gut getan. Im Band davor dagegen hätte ich mir eine Straffung des Falles gewünscht. Dass beide Bücher praktisch die gleiche Seitenanzahl haben, gibt mir zu denken. Vielleicht sollte man beim Verlag nicht auf eine bestimmte Seitenanzahl bestehen, sondern die Autoren ihre Bücher so schreiben lassen, dass sie auch als ganzes wirken können…
Die Bücher von Neuhaus haben oft ein gesellschaftskritisches Thema im Hintergrund, doch in diesem war es nicht der Fall. Stattdessen gibt es hier einen sehr persönlichen Fall für einen der Ermittler.
Alles in allem ist Im Wald wieder ein Buch von Nele Neuhaus, dass ich trotz meiner Krittelein sehr gern gelesen habe.  Neuhaus‘ Krimis sind stets spannend und gut geschrieben, so dass ich mit ihnen viele schöne Lesestunden verbracht habe und mich am Ende bereits auf den neusten Teil gefreut habe. So war es mit diesem Buch auch. Ich hoffe doch, dass ich mich auf einen neuen Band freuen darf und Bodenstein nach seinem Sabbat-Jahr wieder zurückkehrt zur Mordkommission.

Fazit: Im Wald knüpft als achter Band einer Krimi-Reihe selbstverständlich an Bekanntes und Bewährtes an, hat jedoch auch neue Elemente. So gibt es diesmal kein übergeordnetes (gesellschaftskritisches) Thema, sondern einen Fall der für Bodenstein ein ganz persönlicher ist, da der sich nicht nur in seinem Wohnort Ruppertshain abspielt, sondern auch einen Teil seiner Vergangenheit aufdeckt. Der Fall ist wieder einmal gut und spannend geschrieben, so dass ich in dieser Hinsicht nicht meckern kann, denn gerade die verworrenen Beziehungen der einzelnen Nebenfiguren untereinander haben die Geschichte sehr interessant gemacht, aber meiner Meinung nach hat Neuhaus etwas Potential verschenkt, da sie das Privatleben der Hauptfiguren so sehr hinten angestellt hat. Ich lese gern von den priavten Seiten der Ermittler und zwischen diesem Band und dem Vorgänger scheint viel passiert zu sein, von dem ich nun das Gefühl habe, etwas verpasst zu haben. Das ist schade, denn die tolle Geschichte hätte mit ein paar mehr Seiten Hintegrundgeplänkel sicher sehr gut abgerundet werden können. Nichtsdestotrotz hat mir das Buch sehr gut gefallen und ich hoffe doch sehr, dass es nicht der letzte Fall der beiden Ermittler sein wird.