Rezension

Ein ganzes Dorf spielt verstecken

Adria mortale - Bittersüßer Tod -

Adria mortale - Bittersüßer Tod
von Margherita Giovanni

Bewertet mit 4 Sternen

Adria Mortale – Bittersüßer Tod ist so viel mehr als nur ein Krimi. Ganz nah dran an den Dorfbewohnern zeigt uns Margherita Giovanni, wie Nachbarschaftsliebe gemixt mit Misstrauen und Tratsch sehr schnell in einer Tragödie enden kann. Die Spannung hier entsteht nicht durch viel Action oder lebensgefährliche Situationen, sondern durch das allgegenwärtige Misstrauen gegen alle auftretenden Figuren. So werden wir Leser über 300 Seiten an der Nase herumgeführt, bis sich das Ende dann in seiner ganzen Tragik, aber ohne sich zu viel Zeit zu nehmen, ausbreitet.

Gewöhnungsbedürftiger Schreibstil

Das erste, was mir an diesem Buch aufgefallen ist, ist der Schreibstil: In der dritten Person, aber jeweils aus vielen verschiedenen Perspektiven wird die Geschichte erzählt, und so dürfen wir allen Figuren im Laufe des Romans mal über die Schulter und in den Kopf schauen. Diese Perspektive wechselt manchmal von Absatz zu Absatz und so hatte ich insbesondere zu Beginn Schwierigkeiten, wirklich in den Lesefluss zu kommen. Ich halte wenig von diesem Stil und habe mich immer wieder drüber geärgert, doch gleichzeitig ist es eine Meisterleistung, dass die Autorin uns die wahren Täter und den wahren Tathergang trotzdem bis zum Ende verschweigen konnte.

So sehr mir das head hopping auch missfallen hat, so sehr habe ich hingegen genossen, wie viel Zeit sich Giovanni genommen hat, uns das kleine Dorf mit dem langen Namen und das Meer davor in aller Farbenpracht näher zu bringen. Ich war zwar nie in Italien, aber immerhin im französischen Marseille, und so fühlte ich mich sofort wieder an der Mittelmeerküste. Geruhsam, aber ohne unpassende Länge nimmt uns die Autorin an die Hand und zeigt uns das italienische Dorf in all seiner Pracht.

Ein bunter Haufen mehr oder weniger komplexer Figuren

Auch wenn der Klappentext mich zunächst hat annehmen lassen, dass die beiden deutschen Urlauberinnen die Hauptfiguren werden würden, so waren es am Ende doch die Pensionsbesitzerin Federica und der Commissario Lorenzo Garibaldi, die mich wirklich in die Geschichte gezogen haben. Beide hochintelligent, aber nicht unbedingt voll auf derselben Seite, ist es von Anfang an spannend gewesen zu sehen, wie sie mit- und gegeneinander gearbeitet, sich herausgefordert und am Ende doch zu einer Kameradschaft gefunden haben.

Neben diesen beiden spielen diverse Pensionsgäste und Dorfbewohner unterschiedlich große Rollen, doch man kann keine Rückschlüsse ziehen, wer wirklich wichtig und verdächtig ist. Wir schauen ihnen allen mal in den Kopf, doch was sie wirklich wissen, was sie wirklich fühlen, bleibt uns sehr lange verborgen. Obwohl dadurch die Ermittlungen kaum voran gehen – der Commissario weiß natürlich, dass alle lügen, aber kennt die Wahrheit dennoch nicht -, wird die Spannung durchgehend gehalten. Die Einwohner spielen miteinander verstecken, lästern und tratschen bei jeder Gelegenheit, und mittendrin versucht Lorenzo, das schwächste Glied zu finden, um von dort aus auf die richtige Spur zu kommen. Obwohl es viele Figuren sind, geht doch nie die Übersicht verloren, was eine der größten Errungenschaften dieses Romans ist.

Fazit

Der Krimi „Adria Mortale – Bittersüßer Tod“ überzeugt sowohl durch die Landschaftsbeschreibungen als auch durch die vielen verschiedenen Charaktere. Das Ermittlerduo, so ungleich es auch ist, beweist scharfen Verstand und hohe Menschenkenntnis, und so ist es ein Genuss, das Versteckspiel der Dorfbewohner und Pensionsgäste zu beobachten, wissend, dass es zum Scheitern verurteilt ist. Die Auflösung ist ebenso tragisch wie befriedigend. Nur die teilweise arg häufigen Perspektivwechsel haben meinen Lesefluss immer mal wieder gestört