Rezension

Ein gelungenes, feinfühliges Debüt

Wolkenfisch - Lisa Weichart

Wolkenfisch
von Lisa Weichart

"Sie brauste nach Hause: Der Himmel über ihr war das Meer. Die Wolken wirbelten wie Schaumkronen; sie strampelte mit den Beinen und atmete, bis sie Salz schmeckte und ihre Haare zu Tang wurden. Kaltes Luftwasser, sie tauchte tief ein, erwärmt von der Bewegung in Kopf und Körper." ~ Seite 18

Meine Gedanken zu dem Buch:

Thea, die Protagonistin dieses Romans, arbeitet in einem italienischen Großmarkt - ebenso wie die Autorin Lisa Weichart. Wolkenfisch ist kein autobiografischer Roman, aber dennoch spiegelt sich das ein und andere aus ihrem eigenen Leben darin wider.
Vielleicht ist gerade dies der Grund, weshalb "Wolkenfisch" so unglaublich authentisch, so ehrlich erscheint.
Thea ist nach einer Scheidung alleinerziehende Mutter zweier Kinder. Ihre Beziehung zu Tom ist ... schwierig. Er mag die Kinder sehr gerne, mag aber nicht mit ihr zusammenziehen. Er ist zwar nachts da, aber geistig abwesend, wie es scheint. Sie ist nicht alleine, aber geborgen oder gar geliebt fühlt sie sich auch nicht. Gespräche darüber gestalten sich schwierig und so schweigt sie meist und macht die Dinge mit sich selbst aus. Gibt es womöglich eine andere Frau? Thea ist von Selbstzweifel und Eifersucht geplagt. Es nagt an ihr. Der immergleiche Alltag mit seinen auferlegten Pflichten, Schulproblemen und der Eifersucht frisst sie fast auf und sie erscheint innerlich ausgelaugt. Eine Schulter zum Anlehnen nicht in Sicht. Zum Glück gibt es da die Arbeit, die sie auf andere Gedanken bringt. Die "Mutter" - der italienische Großmarkt mit seinen Gerüchen und Kostbarkeiten ist ihr Halt, ihr Sprungbrett zum Träumen ... von Freiheit, von Italien, von Musik und der Liebe. Hier kann sie sich ablenken und neue Kraft schöpfen. Ihre ganz persönliche "Arche Noah"
Und plötzlich verändert sich etwas und Theas Gedankenkarussell beginnt sich zu drehen. Eine kleine Chance tut sich auf, eine Chance auf Veränderung - soll sie zusagen?

"Winterdunkelheit hinter dem Fenster verstärkte das Gefühl von Gemütlichkeit im Inneren. Und doch lag etwas Anziehendes im Finstern draußen. Etwas Gefährliches, Wildes, das auf sie zu warten schien." ~ Seite 76

Die Geschichte gewinnt Substanz durch seine wunderbar lebendige und bildreiche Sprache, die gekonnt poetisch angehauchten Formulierungen. Ich durfte teilhaben an Theas Gedankenkarussell und konnte ihren inneren Kampf fast spüren auf dem Weg zum ersehnten Glück.
Die Charaktere sind ehrlich und keineswegs überzogen gezeichnet und mit Thea hätte ich gerne einmal einen Espresso getrunken. Ihre ganze Art, ihre Sichtweise gefiel mir sehr. Ich konnte mich in sie hineinversetzen und mit ihr fühlen.

"Dann besiegten die Menschen die Zeit, indem sie sich ansahen und wahrnahmen. Diese Sekundenbruchteile - Diamantensplitter waren sie auf einmal, Funken blitzende Wunderkerzen." ~ Seite 81

Kurz & gut - mein persönliches Fazit

Die Regensburger Autorin Lisa Weichart ist mit "Wolkenfisch" ein wunderbar leichtes und poetisches Debüt gelungen, dass so direkt aus dem Leben gegriffen scheint und vielleicht gerade deshalb ganz nah am Leser ist. Ein schmales Büchlein, dass vom Träumen, von Sehnsüchten und dem Auf und Ab der Liebe erzählt, vom Mut, sein Leben zu verändern und die damit verbundenen Selbstzweifel. Gerade mal 141 Seiten - aber jede einzelne davon ist ein Genuss. Ein wunderbar italienischer Flair gibt dem Ganzen eine besondere Würze und ich habe während des Lesens permanent Gelüste nach Oliven und Käse empfunden und konnte den Aroma des Weins fast riechen. Ein gelungenes, feinfühliges Debüt - von mir gibt es eine klare Empfehlung.

© Rezension: 2014, Alexandra
buecherkaffe.blogspot.de