Rezension

Ein gewagter, aber gelungener Genre-Mix

Unsterblich 01 - Tor der Dämmerung - Julie Kagawa

Unsterblich 01 - Tor der Dämmerung
von Julie Kagawa

Bewertet mit 4 Sternen

*Worum geht's?*
Die siebzehnjährige Allie fristet ihr Leben als Straßenkind am Rande des Saums der Stadt New Covington, die von mächtigen und blutrünstigen Vampiren regiert wird. Jeder Tag ist für sie ein neuer Kampf ums Überleben. Als Unregistrierte muss Allie zwar keinen Blutzoll an die verhassten Blutsauger zahlen, dafür erhält sie allerdings auch keinerlei Absicherung oder Nahrung von ihnen. Um über die Runden zu kommen, muss sie sich ihr Essen selbst beschaffen. Doch das bringt sie jedes Mal in tödliche Gefahr! Als Allie sich vor die Tore der Stadt wagt, muss sie sich Kreaturen entgegen stellen, vor denen sich selbst die Vampire fürchten. Noch ehe sie es begreifen kann, hat sie nur noch eine Wahl: Will sie den Tod - oder das Leben als Vampir? 

*Meine Meinung:*
"Tor der Dämmerung" ist der Auftakt von Julie Kagawas neuer Jugendbuchreihe "Unsterblich", in der sie völlig neue Töne anschlägt und sich in ein neues Genre vorwagt. Indem sie gefährliche und blutrünstige Vampire zu den mächtigsten Geschöpfen ihrer düsteren Zukunftsvorstellung macht, vermischt sie eine durchdachte Dystopie mit spannenden Fantasy-Elementen. Kagawas Serienauftakt verspricht nicht nur heiße Luft und kann mit einer vielversprechenden, interessanten und spannenden Handlung begeistern. In typischer Kagawa-Manier liefert sie einen Roman ab, der Fans und diejenigen, die es werden wollen, überzeugen kann.

"Tor der Dämmerung" ist in vier große Textabschnitte unterteilt, die jeweils einen Lebensphase von Protagonistin Allie darstellen. Von ihrem Leben als Straßenmädchen des Saums über den Moment ihrer Verwandlung bis zu ihrem Daseins als Vampir darf man als Leser Allies gesamte Entwicklung miterleben. Während die ersten Abschnitte einem vor allem die grausame Welt, die die Autorin mit viel Mühe großartig gestaltet hat, und die genauen Umstände nahebringen, beschäftigen sich die letzteren mit den Charakteren, ihren Beziehungen zueinander und ihren Schicksalen. 

Die Geschichte wirft von Anfang an eine düstere und grausame Atmosphäre auf, die sich bis zur letzten Seite halten kann. Durch die turbulenten und ereignisreichen ersten Seiten entwickelt sich auch sehr schnell ein hohen Spannungsniveau, das einen an die Handlung fesselt. Bald darauf gönnt Julie Kagawa ihren Charakteren und ihren Lesern allerdings auch ein paar ruhigere Szenen, in denen es jedoch nicht weniger aufregend zugeht. Insgesamt ist es der Autorin gelungen, ihre auf knapp 600 Seiten ausgebreitete Geschichte durchgehend spannend zu halten - sei es auf eine brutale, blutige oder auf eine stille, heimliche Weise. 

Allison, genannt Allie, ist eine Protagonistin, die in ihrem jungen Leben als nicht registriertes Straßenkind auf die harte Tour gelernt hat, was es bedeutet, auf sich allein gestellt zu sein. Um zu überleben, musste sie früh Verantwortung übernehmen und sich durchbeißen. Getreu dem Motto "Wer nichts hat, kann nichts verlieren" kämpft sie sich ohne Rücksicht auf Verluste durch ihr (untotes) Leben. Allie ist knallhart und mit ihrer speziellen Art eine interessante Protagonistin, die die Geschichte allein durch ihre Präsenz fesselnder macht. 

Hinter der Fassade hat das Vampirmädchen allerdings auch eine weiche, verletzliche Seite. So unnahbar und distanziert, wie sie sich gibt, ist Allie nämlich überhaupt nicht! Dadurch, dass Julie Kagawa ihre Geschichte von der Protagonistin selbst erzählen lässt, bekommen wir als Leser tiefe Einblicke in Allies zwiespältigen Gedanken und Gefühle. In ihr tobt ein schmerzvoller Kampf, der nicht enden zu wollen scheint. Wie soll sie nur damit umgehen, dass sie zu einem jener Wesen geworden ist, die sie so verabscheut? Wie kann sie das Monster in sich unter Kontrolle halten? Allie ist alles andere als eine platte, oberflächliche Figur, die nur ihre Rolle erfüllt. Sie ist eine facettenreiche Protagonistin, die sich mit ihren ehrlichen und authentischen Konflikten sympathisch macht, und auf ganzer Linie überzeugen kann.

Vampire und ihre Liebesbeziehung zu Menschen sind durch gewisse glitzernde Blutsauger zugegebenermaßen mit vielen Vorurteilen behaftet. In "Unsterblich - Tor der Dämmerung" entwickeln sich zwischen Allie und einem Menschen ebenfalls romantische Gefühle. Zwar kann man hier nicht von einer mit Kitsch beladenen Liebesgeschichte sprechen, aber ein paar Klischees einer typischen Vampirliebe findet man hier dennoch. Als störend habe ich dies jedoch nicht empfunden. Im Gegenteil: Die zaghafte Liebesgeschichte, die sich nicht in den Vordergrund des Geschehens drängelt, hat mir durch Julie Kagawas eigenen Stil sehr gut gefallen. Wer allerdings eine Vampirliebe mit völlig neuen, unverbrauchten Elementen sucht, der wird hier nicht fündig.

Die Nebencharaktere stellten für mich leider die größte Schwachstelle des Romans dar. Einige von ihnen sind mir durch ihre liebenswerte Art sehr schnell ans Herz gewachsen, andere wiederum konnten mich mit ihren facettenreichen Persönlichkeiten und ihren Eckten und Kanten überzeugen. Leider gab es aber auch ein paar Figuren, die mich trotz ihrer wichtigen Rollen nicht für sich gewinnen konnten. Dazu zähle ich besonders Zeke und Kanin, die mir trotz der vielen Aufmerksamkeit, die ihnen zuteil wird, viel zu blass und zu glatt in Erinnerung blieben.

Julie Kagawa beweist mit ihrem neuen Buch abermals, wie großartig sie schreiben kann. Obwohl "Tor der Dämmerung" mit seinen knapp 600 Seiten alles andere als ein schlankes Büchlein ist, gerät man durch die flüssige und mitreißende Sprache rasch in einen rasanten Lesefluss - Kopfkino inklusive! Der Auftakt zur "Unsterblich"-Reihe ist zweifelsohne ein Page-Turner. Einmal mit dem Roman angefangen, kann man ihn nicht beiseite legen, ehe man die letzte Seite erreicht hat!

*Cover:*
Das Cover ist der Wahnsinn! Mit Illustrationen kann man mich ja immer überzeugen, aber mit seiner schlichten Eleganz sticht das Cover von "Unsterblich - Tor der Dämmerung" ganz klar aus der Masse heraus und sieht einfach toll aus!

*Fazit:*
Mit "Unsterblich - Tor der Dämmerung" ist Julie Kagawa ein beeindruckender Serienauftakt gelungen, der mit einem gewagten Genre-Mix überzeugen kann. Eine düstere Dystopie und niederträchtige Vampire passen besser zusammen, als man sich vorstellen kann! Obwohl der Auftakt mit knapp 600 Seiten ein waschechter Schmöker ist, hat er den Titel "Pageturner" absolut verdient. Langweilig wird einem in dieser spannungsgeladenen Geschichte nie! Auch Allie ist als Protagonistin mit ihrer knallharten Art und ihren Facetten ein klares Highlight. Leider halten mich ein paar schwächelnde Nebencharaktere von der Höchstbewertung ab. Für "Unsterblich - Tor der Dämmerung" vergebe ich 4 Sterne.