Rezension

Ein Glas voller Steine

Ein mögliches Leben
von Hannes Köhler

Bewertet mit 4.5 Sternen

Franz und Martin machen sich auf eine Reise in die USA, doch eigentlich ist es eine Reise in die Vergangenheit von Franz. Der Alte, immer wieder ist es der Alte, um die 90 ist er jetzt, der die Impulse gibt auf dieser Reise. Er will nach siebzig Jahren wieder die Gegend sehen, in welcher er in Kriegsgefangenschaft war, und Martin ... was will Martin, sein Enkel, eigentlich? Nicht viel, alles, das, was eigentlich jeder will. Wissen, was man will, erreichen, was man will. In seinem Fall ist das Judith, sein ONS, und Laura, das ONS-Ergebnis. Und diesen Fremden kennenlernen, diesen Alten, der sein Großvater ist. Auch eine Annäherung an Barbara, die Tochter des Alten, Martins Mutter scheint möglich, wenn Franz endlich die Erinnerungen zulässt, sich ihnen stellt.

Eine krasse Geschichte. Nicht weil sie so schreckliche Erlebnisse aus der Kriegszeit oder Gefangenschaft berichtet - im Vergleich zu den Lagern der Russen oder Japanern ist das in den USA ein Ferienaufenthalt. Es sind die Menschen, die uns begegnen, nicht nur Franz, Barbara und Martin, sondern vor allem die aus der Vergangenheit. Wenn sich selbst in Kriegsgefangenschaft die Nazis formieren und bis zum bitteren Ende und darüber hinaus an den Endsieg glauben. Wenn sie dafür prügeln, gar töten, und dieser völlig verkorkste Mannschaftskorpsgeist verbietet, den Amerikanern davon zu erzählen. Wenn selbst aus den wenigen "Guten" Mörder werden, wenn die Seele derjenigen, die noch "vernünftig" sind, schwarz wird und zu einer Mördergrube. Und all das erzählt in einer ruhigen, ungemein packenden Schreibweise, mit Sprüngen in Vergangenheit und Gegenwart, zu erkennen daran, dass die Vergangenheit im Präsens und die Gegenwart als dichterische Vergangenheit erzählt wird. Dieses Buch gehört so gar nicht zu meinem Beuteschema, eigentlich. Denn eigentlich ist es egal, weil es einfach nur gut ist.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 02. März 2018 um 10:29

Super!

E-möbe kommentierte am 02. März 2018 um 19:13

Was denn? Dass ich manchmal Bücher außerhalb meiner Genrevorlieben lese und dann sogar schätzen kann? ;)

wandagreen kommentierte am 02. März 2018 um 20:05

Was biste so gallig in letzter Zeit? Eine gute Rezi, und ja, das andere auch.

Naibenak kommentierte am 02. März 2018 um 10:48

Huiii.... toll geschrieben! :) Und sehr neugierig hast mich jetzt gemacht! Mist.... *lach* ;)

E-möbe kommentierte am 02. März 2018 um 19:15

Ich hab's von netgalley. Jetzt ärgere ich mich, dass ich dafür auf vorab keinen Leseeindruck geschrieben hatte. Auf netgalley gibt's das immer noch, so als Tipp, falls du auch ebooks liest.

misery3103 kommentierte am 02. März 2018 um 11:20

Tolle Rezension. Das Buch mochte ich auch sehr!!!

E-möbe kommentierte am 02. März 2018 um 19:15

Es hat mich überrascht, ganz ehrlich.

Manchmal fallen mir Bücher wie dieses oder das Okapibuch in die Hände und dann hauen die mich um.