Rezension

Ein Glücksgriff

Niemalswelt - Marisha Pessl

Niemalswelt
von Marisha Pessl

Bewertet mit 4.5 Sternen

Ich hatte Unterschiedliches von "Niemalswelt" gehört - Negatives wie Positives - und bin froh, dass ich mich nicht von den kritischen Meinungen habe abschrecken lassen. Obwohl ich zuerst einige Probleme hatte, mich in der Geschichte zurechtzufinden und mir einige Charaktere bis zum Ende reichlich seltsam vorkamen, war ich zunehmend begeistert. Spätestens, als in Kapitel zwei der mysteriöse Wächter erstmals auftauchte und die Zusammenhänge langsam klarer wurden, konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen.

Die Idee erinnert ein wenig an den Zeitschleifen-Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ von 1993, hat damit insgesamt aber nicht viel gemein: Ernsthaft, tiefgründig und ungeheuer fesselnd erzählt Marisha Pessl von fünf Freunden, die Tag für Tag dieselben elf Stunden durchleben. Nach einem Autounfall stecken sie in der sogenannten Niemalswelt fest, eine Art Zwischenwelt, die sie erst verlassen dürfen, wenn sie entschieden haben, wer von ihnen überlebt.

Um aus der Niemalswelt zu entkommen, müssen Beatrice, Whitley, Kipling, Connor und Martha aber nicht nur einen Überlebenden bestimmen, sondern sich auch mit dem rätselhaften Tod ihres Freundes Jim auseinandersetzen. Wie sich herausstellt, gelingt ihnen das nur gemeinsam. Doch leichter gesagt, als getan: Anfangs scheint die Situation völlig festgefahren und die Aussicht auf Einigung in weiter Ferne. Zu verschieden sind die fünf: Beatrice hat den Ruf, nett und lieb zu sein, Martha ist einzelgängerisch und nerdig, Kipling, Connor und Whitley sind exzentrisch bis unberechenbar.

Mit der Zeit raufen sie sich zusammen und entwickeln abenteuerliche Pläne. Dabei laufen sie jedoch Gefahr, sich für immer in der Niemalswelt zu verlieren. Die Geschichte ist surreal und abgefahren - ein Mix aus Thriller, Fantasy und Coming-of-Age. Ich empfand sie aber nicht als abgehoben. Ich war fasziniert von der Niemalswelt und ihren Gesetzen, den Ideen der Jugendlichen und dem, was sie mit der Zeit herausfinden. Zwischendurch hatte ich meine Zweifel, dass Marisha Pessl alles logisch auflösen kann, war nach den letzten Seiten aber sehr zufrieden mit dem Ende, auch wenn sich hier einige Zufälle addieren. Tatsächlich habe ich die ersten Kapitel direkt noch einmal gelesen – und ja, für mich ergab alles einen Sinn. Manche Sätze habe ich ebenfalls mehrfach gelesen, weil sie wirklich wunderbar formuliert sind und zum Nachdenken anregen. Ich würde das Buch daher auch nicht der reinen Spannungsliteratur zuordnen.

Fazit: Klasse! „Niemalswelt“ ist surreal, intensiv, spannend und die Idee dazu auf positive Weise krass, verrückt und nachdenklich machend. Abgesehen von kleinen Schwächen bei der Figurenzeichnung habe ich nichts zu bemängeln. Das Buch war für mich ein echter Glücksgriff. 4,5 Pkt.