Rezension

Ein großartiges Buch!

Mein Mauerfall - Juliane Breinl

Mein Mauerfall
von Juliane Breinl

Gab es in eurem Leben schon mal einen schicksalhaften Tag. Einen Tag, der euer ganzes Leben auf den Kopf gestellt hat und ohne den euer Leben ganz anders verlaufen wäre? In meinem Leben gab es einen solchen Tag oder besser einen Abend. Heute vor genau 30 Jahren verschlief ich die Nachricht, dass die ersten Schlagbäume der Grenzen meines Heimatlandes sich öffneten – mein Mauerfall. Den darauffolgenden Tag erlebte ich wie im Rausch. Mit meinen knapp 11 Jahren kam ich aus der Schule, in der sie uns täglich von den schlimmen Kapitalisten im Westen von Deutschland berichteten, um von meinem Vater zu hören, dass wir gleich in den Westen fahren. Ich war völlig überfordert und auch die folgenden Tage wurden geprägt von unglaublichen Dingen, die mir bis heute im Gedächtnis geblieben sind.

30 Jahre nach dem Mauerfall

Diese Ereignisse sind nun 30 Jahre her und wäre die Mauer damals nicht gefallen, hätte ich heute viele wunderbare Menschen nicht an meiner Seite, wie meinen Mann und meinen Sohn. Aber nicht nur das. Wenn ich mir heute überlege, wie es mir wohl ergangen wäre, wenn die DDR Bestand hätte, macht es mir Angst. Das soll keinesfalls heißen, dass ich dort eine schlechte Kindheit hatte. Ganz im Gegenteil. Doch mit den ganzen Informationen, die ich heute über das damalige Regime habe, wäre ein freies und glückliches Leben dort für mich nicht denkbar.

Warum gab es die DDR und die Grenze?

Ich denke, dass irgendwann der Tag kommen wird, an dem mein Sohn mich fragt, wie es so in der DDR war. Lässt sich so eine Frage in ein paar kurzen Sätzen beantworten? Ganz klar: nein! Denn bis heute habe ich nicht alle Informationen über die damalige Zeit. Natürlich kann ich ihm von meiner Kindheit dort berichten. Diese spiegelt jedoch nur ansatzweise das Leben in der DDR wieder. Und weil mir immer so viele Details fehlen und ich mich auch gerne mit der Vergangenheit beschäftige, lese ich furchtbar gerne Bücher, die sich mit dem Thema DDR beschäftigen. Bisher waren jedoch nur wenige Sachbücher dabei. Es waren eher Romane, die ich dazu gelesen habe. Mit Blick auf meinen heranwachsenden und neugierigen Sohn, habe ich doch zunehmend auch die Sachbücher ins Auge gefasst und bin beim Verlag arsEdition fündig geworden. Dort ist mit „Mein Mauerfall: Von der Teilung Deutschlands bis heute“ ein zum heutigen 30-jährigen Ereignis passendes, wunderbares Sachbuch für Jugendliche erschienen, welches mich sehr überrascht und begeistert hat.

Warum war Deutschland geteilt?

Überrascht hat mich die Autorin Juliane Breinl, die dieses Sachbuch so großartig und keineswegs trocken gestaltet hat. Es hat auch mich Erwachsenen vollkommen mitgerissen. Am besten fand ich die Mischung aus geschichtlichen Fakten aus der gesamten DDR Zeit, die Schilderungen von Zeitzeugen und die sehr unterhaltsame Geschichte von Theo Schuhmann. Nicht die Autorin führt uns durch das Buch, sondern der 12-jährige Theo. Theo lebt im hier und jetzt, aber auch nach 30 Jahren spürt er in seiner Familie noch sehr deutlich die Nachwirkungen der damaligen Zeit. Hinzukommt, dass seine Familie gespalten und geteilter Meinung ist. Die einen trauern der Vergangenheit hinterher und die anderen sind froh, dass diese längst Geschichte ist. So bekommt man als Leser nicht nur einige familiäre Auseinandersetzungen mit, sondern darf die Vergangenheit aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten.

Theo will Fakten!

Theo hört sich gerne die Schilderungen seiner Familie an, auch wenn er die Streitigkeiten darum nicht immer nachvollziehen kann. Aus diesem Grund sehnt er sich nach präzisen Fakten. Diese sucht und findet er bei einem engagierten Youtuber, der in kurzen Sequenzen die Ereignisse der damaligen Zeit bis heute aufarbeitet. Ergänzt werden sie von vielen Illustrationen und Fotos, die alles etwas anschaulicher gestalten. So werden auch für den Leser viele offene Fragen beantwortet.

Dieses Buch beschäftigt

„Mein Mauerfall: Von der Teilung Deutschlands bis heute“ von Juliane Breinl hat mich eine ganze Zeit begleitet. Und irgendwie konnte ich mich bis heute nicht von diesem Buch lösen. Vielleicht lag es an den persönlichen Erinnerungen, die in mir wachgerufen wurden? Oder vielleicht an den zum Teil schockierenden Erlebnissen der Zeitzeugen, über die ich mich mit vielen anderen Menschen (die ebenfalls in der DDR gelebt haben) ausgetauscht habe. Fest steht, dass ich dieses überaus gelungene Buch für meinen Sohn aufheben werden, damit ich ihm einige Fragen zu meiner Vergangenheit erzählen kann.

Des Weiteren möchte ich dieses Buch allen empfehlen, die schon immer mehr Hintergrundwissen zum Thema Mauer, DDR und über das Leben in einer vorgetäuschten Freiheit haben wollen.

https://kathrineverdeen.de/