Rezension

Ein gut gemachter Spionageroman, aber nicht mein Fall

Der Preis, den man zahlt - Arturo Pérez-Reverte

Der Preis, den man zahlt
von Arturo Perez-Reverte

Bewertet mit 3 Sternen

Ich liebe historische Geschichten, die im 20. Jahrhundert spielen, und mein absoluter Lieblingsautor ist Spanier und siedelt seine Romane oft in den 1930er bis 1950er Jahren an - Der Preis, den man zahlt von Arturo Pérez-Reverte klang also nach genau der Art Geschichte, die mich in der Regel fesselt und fasziniert. Umso mehr habe ich mich über einen Platz in der Leserunde des Insel Verlags auf Lovelybooks.de gefreut. Leider merkte ich aber schon auf den ersten Seiten, dass der Roman überhaupt nicht meinen Geschmack trifft.

Woran lag das? Zumindest nicht an Pérez-Revertes Art zu erzählen. Die ist sehr eindringlich und klar und passt damit perfekt zu der Zeit, in der er seine Geschichte um den Spion Falcó ansiedelt. Das Setting, das Pérez-Reverte schafft, ist authentisch, grausam realistisch und absolut fesselnd. Er fängt vor allem die Stimmung, wie sie im Spanien der 1930er Jahre vorgeherrscht haben muss, atemberaubend gut ein und skizziert das Bild eines geteilten Landes, in dem man niemandem trauen kann. Das gesamte Szenario hat mir unglaublich gut gefallen - es ist so lebendig und pulsierend, dass es vor dem geistigen Auge des Lesers beinahe Realität wird.

Was also war es dann, was mich an dem Roman gestört hat? Zum einen das Tempo. Ich hatte mich (gemäß der Kritiken auf dem Umschlag) auf eine rasante, sich schnell und vielleicht ein wenig chaotisch entwickelnde Geschichte eingestellt. Das Tempo ist jedoch von Anfang an sehr gemächlich, der Fokus liegt auf politischen Ränken, die nach und nach geschmiedet wäre. Bis es zur eigentlichen Aktion kommt, vergeht mehr als die Hälfte des Buches. Leider sind auch die Vorbereitungen der Befreiung nicht sonderlich spannend geschildert. Dafür nimmt die Handlung gegen Ende mächtig Fahrt auf - und gerät dabei ins Straucheln. Für mich stimmte das Tempo insgesamt leider gar nicht und auch die Handlung selbst hält wenige Überraschungen für den Leser bereit, die er nicht schon dem umfangreichen Klappentext entnehmen könnte.

Mein zweiter großer Kritikpunkt sind die Charaktere - allen voran Protagonist Lorenzo Falcó. Er ist ein klassischer Antiheld, kein sympathischer Typ, was ich prinzipiell gut und spannend finde. Aber Falcó ist irgendwie ... einfach nichts. Die Geschichte wird zwar aus seiner Sicht erzählt, doch er blieb mir bis zum Schluss ein Rätsel. Ich konnte keine Prinzipien erkennen, keine erkennbaren Absichten. Er scheint einzig für seine Berufung als Spion (und Auftragskiller?) zu leben, der er kaltblütig und fast schon resigniert nachgeht. Keine seiner Entscheidungen, wenn er denn selbst mal welche trifft, war für mich nachvollziehbar und vor allem gegen Ende passt sein Verhalten so gar nicht zu der Charakterzeichnung, die Pérez-Reverte bis dahin vornimmt. Für mich ist es daher unmöglich, Lorenzo Falcó als echten Menschen zu sehen. Seine Gefühle, Gedanken, Motive - all das bleibt im Dunkeln und das sorgte leider auch dafür, dass ich einfach kein Interesse an ihm und seinem Schicksal hatte. Er hätte in der Mitte des Buches sterben können und es hätte mich kalt gelassen. Ein schlechtes Zeichen.

Nicht anders ging es mir mit der aus dem Boden gestampften Romanze zwischen Eva Rengel und Lorenzo Falcó. Wenngleich es im Verlauf der Handlung ein paar Momente zwischen den beiden gibt, die unheimlich pur und echt wirken, fehlte mir auch hier die emotionale Nähe. Höchstwahrscheinlich liegt das einfach daran, dass ich mit einer völlig falschen Erwartungshaltung an den Roman herangegangen bin. Der Klappentext suggeriert hier eine dramatische Geschichte vor dem historischen Hintergrund des spanischen Bürgerkriegs - obwohl Der Preis, den man zahlt eigentlich eine detailgenau skizzierte und eher nüchterne Spionagegeschichte erzählt. Und das trifft dann überhaupt nicht meinen Geschmack. Leider.

Mein Fazit:

Der Preis, den man zahlt ist eine hervorragend erzählte Spionagegeschichte vor authentischem Setting, die auf emotionale Nähe zu den Charakteren verzichtet. Wenn man weiß, worauf man sich einlässt, ist es in jedem Fall ein gutes Buch. Meinen Geschmack hat Arturo Pérez-Reverte allerdings nicht getroffen, denn ein zu gemächliches Tempo und von vorne bis hinten undurchsichtige Charaktere ließen zumindest bei mir wenig Spannung aufkommen.