Rezension

Ein "hässlicher Deutscher" auf der Anklagebank?

Eichmann in Jerusalem - Hannah Arendt

Eichmann in Jerusalem
von Hannah Arendt

Adolf Eichmann, einer der Hauptverantwortlichen der Shoah, flog nach Kriegsende nach Argentinien und wurde dort 1961 vom israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad aufgespürt, gekidnappt, nach Israel entführt und in Jerusalem vor Gericht gestellt, wo er sich für seine Rolle bei der Judenvernichtung zu verantworten hatte. Die deutsche Philosophin Hannah Arendt, die vor den Nazis ins amerikanische Exil floh und selbst Jüdin, reiste im Auftrag der Zeitschrift "New Yorker" nach Jerusalem, um den Prozess gegen Eichmann zu beobachten. 

In ihrem Buch beschäftigt sich Arendt zunächst relativ allgemein mit der Person Eichmanns und mit dem Gericht, vor das er gestellt wurde. Anschliessend legt sie ihr Hauptaugenmerk auf die von Eichmann ausgeführte Vernichtungspolitik der Nazis, bevor sie sich am Ende des Buches mit dem Urteil gegen Eichmann (er wurde zum Tode verurteilt und 1962 gehängt) auseinandersetzt. 

Hannah Arendt kommt zu einer (meiner Meinung nach richtigen) Schlussfolgerung: Eichmann war nicht der "hässliche Deutsche", kein Monster, Eichmann war durch und durch normal und banal (daher der Untertitel des BUches: Ein Bericht von der Banalität des Bösen). Das wirklich Erschreckende für die Menschen ist nach Arendt demnach (und auch damit hat sie recht), dass unvorstellbare Verbrechen von ganz normalen Menschen, durchschnittlich gebildet und sozial integriert, begangen wurden. Wenn man den Gedanken zu Ende denkt, kommt man zu dem wahrhaft Grauenhaften: Eichmann hats getan...was hätte ich getan? Hannah Arendt versuchte Adolf Eichmann als einen durchschnittlichen, einen normalen Menschen darzustellen und zu zeigen, dass gerade diese Normalität die begangenen Verbrechen ermöglichte. Ich denke Arendt ist ihr Vorhaben gelungen, auch wenn sie dabei viel riskiert hat: Ihr Bericht über Eichmann hat heftigste Kontroversen, insbesondere in den USA, hervorgerufen und sie fast ihren Lehrstuhl gekostet. Das Buch ist unbedingt lesenswert, nicht nur für historisch Interessierte, auch für ganz normale Menschen... Einige Schwachpunkte des Buches müssen aber dennoch angesprochen werden: Bei Hannah Arendts Darstellung der Shoah werden dem historisch bewanderten Leser Ungenauigkeiten auffallen, die aber durch der Quellenlage die Arendt (1962) zur Verfügung hatte zu entschuldigen ist. Weiterhin reisst Arendt einige Themen nur an, die, meiner Meinung nach, eine genauere Analyse verdient gehabt hätten - so zum Beispiel die völkerrechtswidrige Entführung Eichmanns nach Israel oder Eichmanns Versuch sich bei seiner Verteidigung auf den kategorischen Imperastiv von Kant zu berufen. Insgesamt gesehen aber ein eindringliches Buch, mit einem nachdenklich machenden Ergebnis.