Rezension

Ein hartes Stück Horrorliteratur

Bighead - Edward Lee

Bighead
von Edward Lee

Bewertet mit 5 Sternen

Inhalt laut Klappentext:

Nachdem sein Großvater gestorben ist, sitzt Bighead ganz alleine in der Hütte irgendwo im tiefen Wald von Virginia. Als das letzte Fleisch verzehrt ist, treibt ihn der Hunger hinaus in die »Welt da draußen«, von der er bisher nur von seinem Opa gehört hat …

Wer oder was ist der Bighead? Wieso hat er einen Kopf so groß wie eine Wassermelone? Ist er ein mutierter Psychopath? Was er auch immer ist, Bighead ist unterwegs und hinterlässt eine Spur aus Blut und Grauen.

Der neue Roman von Edward Lee handelt von einem deformierten Jungen/Mann mit überdimensional großem Schädel, rasiermesserscharfen Zähnen und einem weniger scharfem Verstand. Er beschließt eines Tages, in die “Welt da draußen” zu gehen, um zu suchen, was seine innere Eingebung ihn finden lassen will. So metzelt er sich fröhlich durch die Wälder Virginias und gibt sich ganz seiner Leidenschaft für frisches Hirn hin. Was immer ihm vor die Futterluke kommt, wird vergewaltigt und verputzt.

Zeitgleich gibt es die beiden jungen Frauen Charity und Jerrica. Charity, die im ständigen K(r)ampf mit ihrer Frigidität steht, möchte ihre Tante besuchen. Jerrica, das genaue Gegenteil von Charity, ist eine drogensüchtige Nymphomanin. Sie bildet mit Charity eine Fahrgemeinschaft, um über deren Heimatgegend eine Zeitungsserie zu verfassen.

Dann haben wir da noch Balls und Dicky, zwei Alkohol schmuggelnde Hinterwäldler, die es Bighead gleich tun. Auch sie morden, vergewaltigen und foltern. Im Gegensatz zu Bighead, der es nicht besser weiss, betrachten die beiden das Ganze als Freizeitgestaltung. Dabei ist Balls die treibende Kraft, der, quasi immergeil, den geplagten Dicky von einem Horrorszenario zum nächsten mitschleppt.

Zu guter letzt ist da noch Pater Alexander, der in dieselbe Gegend abberufen wurde, um eine alte Abtei zu restaurieren. 
Hier gibt es auch gleich meinen ersten Pluspunkt. Pater Alexander ist ein fluchender, prügelnder, rauchender und saufender Rüpel mit wunderbar abgefahrenen Halluzinationen. Einfach nur herrlich!

Auf der Rückseite des Buches steht:
 

Der Verlag warnt ausdrücklich: Edward Lee ist der führende Autor des Extreme Horror. Seine Werke enthalten überzogene Darstellungen von sexueller Gewalt. Wer so etwas nicht mag, sollte die Finger davon lassen. Für Fans dagegen ist Edward Lee ein literarisches Genie. Er schreibt originell, verstörend und gewagt – seine Bücher sind ein echtes, aber schmutziges Erlebnis.
Ich gebe zu, nach “Haus der bösen Lust” habe ich darüber erst mal breit gegrinst.
Das Grinsen verging mir bereits beim ersten Satz.
Heiliger Bimbam, “Bighead” ist mit Abstand das krankeste, krasseste, ekelerregendste, widerwärtigste und blutigste Buch, das ich je gelesen habe. Klingt negativ? 
Aber wirklich nicht! Wenn ich das sage, ist es etwas Gutes, denn ich steh drauf – ich würde es am liebsten gleich noch einmal lesen.
Der Roman ist rasant, direkt und an jeder Stelle unterhaltsam. Lee bietet seinen Lesern hier absolut alles, was in einem anständigen Horrorschocker stecken muss. Ich habe wirklich schon viel gelesen und glaubte bis jetzt, alle guten Schockerszenen schon irgendwo erlebt zu haben. Edward Lee hat mir gezeigt, dass ich anscheinend bisher nur Blümchenhorror gelesen habe. Da gab es Szenen, bei denen ich fast mein Mittagessen wieder weggebracht hätte. Respekt, Edward Lee! Das schafft sonst höchstens noch Bryan Smith. Ich bin wirklich beeindruckt.
Manche Dinge waren so absurd und abgefahren, dass ich sogar lachen musste. Viele finden das vielleicht nicht witzig. Ich schon.
 
Einige andere Leser lobten den typischen Slang, den Lee für seine Hinterwäldler gerne verwendet. Ich muss zugeben, dass das mein absolut einziger (und kleiner) Kritikpunkt ist. Es ist meisterhaft geschrieben, keine Frage, und man gewöhnt sich auch sehr schnell an den Slang. Dennoch hat es mich ein bisschen genervt, weil der Slang nicht nur in der wörtlichen Rede, sondern auch in beschreibenden Textstellen verwendet wurde, wenn es um Bighead, Balls und Dicky und andere Hinterwäldlern ging. Witzig hingegen waren wiederum die absichtlich falsch geschriebenen Worte, die herrlich die natürliche Doofheit der Jungs rüberbrachte.
 
Anderer Meinung mit einigen Rezensenten bin ich ebenfalls in Bezug auf das Ende der Story. Ich weiss nicht, wie man daran bemängeln kann, dass es an den Haaren herbei gezogen sei. 
Wenn man realistische Geschichten lesen will, sollte man sich wohl besser keine Horrorstories kaufen. Ich frage mich manchmal wirklich, ob den Leuten klar ist, dass in fiktiven Geschichten unter Umständen völlig unrealistische Dinge geschehen könnten. Leute, was habt Ihr denn erwartet?
Das Ende hat mir tatsächlich supergut gefallen. Ich fand es abgefahren und absolut passend. Ein kleines bisschen hatte ich sogar damit gerechnet. Für mich war es bestens gelöst.
 
Fazit:
“Bighead” hat mich komplett vom Platz gefegt. Ich war nach dem Lesen total erschöpft, angenehm geschockt und glücklich. Dieses Buch hat jedes bisher gelesene Gore-Spekatakel blass aussehen lassen. Ich bin gespannt, ob das noch getoppt werden kann. Klare Kaufempfehlung für Gleichgesinnte.

Kommentare

Thomas Rei kommentierte am 08. Oktober 2013 um 08:24

Über die "Warnung" auf dem Buchrücken habe ich auch erst geschmunzelt. Marketingmasche etc., aber es stimmt... Ich dachte ich wäre halbwegs hartgesotten. Schaue sehr gerne Horrorfilme und habe auch relativ viel Horrorliteratur gelesen. Habe dann mal reingelesen. Aber dieses Buch ist wohl mit Sicherheit eines der extremsten, brutalsten und vulgärsten Bücher, die ich bisher gefunden habe. Für mich zu krass, aber schon auf morbide Art faszinierend.

Tolle Rezension auf jeden Fall :)

Horror and more kommentierte am 09. Oktober 2013 um 11:48

Lieben Dank für das Kompliment :-)

Inzwischen gibt es ja noch viel mehr Stoff von Edward Lee. "Der Besudler auf der Schwelle" und "Der Teratologe" (mit Wrath James White) sind schon hart an der Brechgrenze.