Rezension

Ein Haus mit dunkler Geschichte und gefährlicher Anziehungskraft - fesselnder Psychothriller

Elternhaus -

Elternhaus
von Jennifer Mentges

Bewertet mit 4 Sternen

„Und so war der Junge eingekeilt zwischen dem Haus und der Vergangenheit, und die Vergangenheit war so dicht wie Nebel, der ihn zu ersticken drohte.“

Die alte Villa im Hamburger Vorort übt eine ganz besondere Anziehungskraft auf den Barpianisten und Klavierlehrer Tobias Hansen aus. Regelmäßig kommt er zum Haus und beobachtet, was hier vor sich geht. Als Yvette Winkler mit ihrem Mann Bernhard und den vier gemeinsamen Kindern in das Haus einzieht, schafft es Tobias rasch, das Vertrauen der Familie zu gewinnen. Schon bald gehört er als Klavierlehrer der Kinder zum Freundeskreis der Familie. Doch er verhält sich immer merkwürdiger. Was sind seine wahren Absichten? 

 

Autorin Jennifer Menges formuliert präzise, anschaulich, gut verständlich und flüssig. Sie erzählt die Geschichte multiperspektivisch, meist aus der Sicht von Yvette, von Tobias,  aber auch mal aus dem Blickwinkel der Haushaltshilfe Consuelo, des Maklers oder der blinden Nachbarin Gerda Hoff. Meist wird das Geschehen chronologisch geschildert, doch werden auch wiederholt Rückblenden und Kindheitserinnerungen von Tobias eingeschoben.  
Das Cover, ein Klavier, ein helles Fenster mit Vorhängen, ein in Strichen skizziertes Haus und viel Dunkelheit drumherum, wirkt bedrohlich und weckt die Neugier.

 

Dass Tobias Hansen nicht der ist, der er vorzugeben versucht, wird rasch klar. Er präsentiert sich nach außen sympathisch, charmant, freundlich und hilfsbereit, hat aber gleichzeitig gewichtige Geheimnisse zu verbergen und benimmt sich zunehmend seltsam und befremdlich. Mit Yvette hatte ich deutlich weniger Schwierigkeiten als mit Tobias. Sie scheint wesentlich berechenbarer und leichter einzuschätzen als Tobias.  
Und dann gibt es noch Haushälterin Consuelo Strunz, die ganz offen von Familienglück träumt und dabei besorgniserregende Verhaltensweisen zeigt. Im Roman tummeln sich einige dubiose Charaktere, die die Figurenkonstellation interessant und reizvoll machen.

 

Was geschah damals in der alten Villa? Warum ist Tobias von dem Haus so besessen? Was hat Tobias zu verbergen? Und welche Pläne verfolgt er?  
Jennifer Mentges hat einen fesselnden, atmosphärischen Thriller konstruiert, der mit einem packendem Finale überzeugt und durchaus Beklemmungen hinterlässt. Schaudern braucht nicht unbedingt viel Action oder Blutvergießen, es reicht wie hier ein gelungenes Setting. Ein besonderes Haus, das Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist. Nach und nach puzzelt sich ein komplexes Gesamtbild zusammen und am Ende überrascht der Roman noch mit der ein oder anderen unvorhergesehenen Entwicklung. Da sind manche Längen im Mittelteil schnell vergessen. Unterm Strich ein solider, durchdachter, fesselnder Psychothriller um Rache, Wahn, Betrug, Schuld und andere menschliche Abgründe.