Rezension

Ein Held ist, wer das Leben Großem opfert. (Grillparzer)

Die Wagemutige -

Die Wagemutige
von Caroline Bernard

Bewertet mit 5 Sternen

1940 Frankreich. Die in Ungarn geborene Österreicherin Lisa Fittko ist die Tochter eines jüdischen Journalisten. Als die Nazis in Deutschland immer mehr an Macht gewinnen und es für Juden gefährlich wird, verlässt die Familie das Land Richtung Tschechoslowakei, zumal Lisa durch die Verbreitung von Flugblättern bereits im Visier der Machthaber ist. Mit ihrem Ehemann Hans Fittko, der sich als Fluchthelfer engagiert und nebenbei politische Dokumente schmuggelte, landet sie nach unterschiedlichen Stationen 1938 schließlich in Paris, wo Lisas Familie bereits ihr Domizil aufgeschlagen haben. Aber in Frankreich sind die Deutschen nicht sehr gut gelitten, zumal Paris schon bald von den Nazis eingenommen wird, die auch in der französischen Hauptstadt mit ihren Säuberungsaktionen nicht Halt machen. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Hans geht Lisa in den Widerstand und verschreibt sich der Fluchthilfe, um von den Nazis oder durch das Vichy-Regime bedrohte Menschen zu retten. Dabei geht sie immer wieder große persönliche Risiken ein, um die Menschen über die Pyrenäen nach Spanien zu bringen…

Caroline Bernard hat mit „Die Wagemutige“ einen sehr unterhaltsamen biografischen Roman mit fiktiven Zügen über die historisch belegte Widerstandskämpferin vorgelegt, der nicht nur mit einer exzellenten Recherche punktet, sondern Lisa Fittko samt ihres Schaffens ein Denkmal setzt. Der flüssige und bildhafte Schreibstil der Autorin lässt den Leser per Zeitsprung ins vergangene Jahrhundert reisen, um sich an Lisas Seite wiederzufinden und ihr wie ein Schatten zu folgen. Lisa wird schon als junge Frau immer wieder mit Ablehnung und Schikanen konfrontiert, die auch ihre Familie betreffen. Unter den Nazis verlässt die Familie 1933 Deutschland und lässt Lisa endgültig in den Widerstand gehen. Nach Stationen in mehreren europäischen Ländern landet sie in Paris, wo sich ihre Eltern bereits aufhalten. Der Nazieinmarsch in Frankreich veranlasst Lisa dazu, sich in den noch unbesetzten Süden des Landes abzusetzen, doch dann wird auch sie ins Internierungslager Camp de Gurs verbracht, aus dem sie fliehen kann und in Marseille unterkriecht. Dort startet sie mit der Unterstützung des dortigen Bürgermeisters  und dem Rettungsnetzwerk des amerikanischen Journalisten Varian Fry ihre Fluchthelferkarriere. Fry konnte mit Erlaubnis der USA Visa besorgen, die den Verfolgten die Ausreise ermöglichte. Lisa Fittko und ihr Mann Hans nahmen seine Hilfe 1941 in Anspruch und verließen Frankreich Richtung Kuba. Die intensive Eintauchen in Fittkos Leben sowie die Erzählweise der Autorin lassen die Seiten während der Lektüre dem Leser nur so durch die Finger gleiten.

Die Charaktere sind sehr lebendig in Szene gesetzt und überzeugen den Leser mit glaubwürdigen menschlichen Eigenschaften. Gern heftet er sich an die Fersen der Protagonisten und folgt ihnen durch eine spannende, aber auch gefährliche Zeit. Lisa ist eine starke und kämpferische Frau, die ihren eigenen Kopf hat und sich für andere einsetzt. Sie hat einige Schicksalsschläge sowie ständig wiederkehrende Ablehnung erfahren, doch wirkt sie nie mutlos, sondern noch entschlossener, den Kampf aufzunehmen. Dass sie sich nach Sicherheit sehnt, ist gut nachvollziehbar, denn sie musste schon viel zu oft die Flucht ergreifen, um ihr Leben zu retten. Ehemann Hans teilt ihren Kampf im Widerstand, hat ähnliche Ansichten und Ideale, zudem erweist er sich oftmals als Ruhepol und Fels in der Brandung.

„Die Wagemutige“ ist ein sehr unterhaltsames und gleichsam spannendes Zeitzeugnis einer starken und mutigen Frau. Bernard lässt Fittko wieder lebendig werden, während sie Autobiografie und Fiktion gekonnt miteinander verbindet und dabei zusätzlich den Blick auf all diejenigen richtet, die sich im Zweiten Weltkrieg für andere eingesetzt haben. Absolute Leseempfehlung für eine fesselnde und authentische Geschichte!