Rezension

Ein Herzensbuch

Worauf wir hoffen - Fatima Farheen Mirza

Worauf wir hoffen
von Fatima Farheen Mirza

~~Worauf wir hoffen - Fatima Farheen Mirza

Die ergreifende Geschichte einer aus Indien stammenden muslimischen Familie nach der Einwanderung in die USA.

Der Roman beginnt mit der Hochzeit der ältesten Tochter, eine Liebesheirat. Zu diesem wichtigen Ereignis kehrt ihr Bruder zurück, das schwarze Schaf der Familie, der mit dem Vater gebrochen hat. Dann macht die Handlung einen großen Schlenker zurück in die Kindheit und Jugend der drei Geschwister und nimmt den Leser mit auf die Suche nach den Ursprüngen und Gründen dieses Familienzwists.

"Und vielleicht gibt es etwas in ihr, das, grausam und nachtragend, schon immer darauf gewartet hat, dass Amar endlich erkennt, was sie die ganze Zeit gespürt hat: dass hier im Haus kein Platz für ihn ist." Seite 250

Ein wichtiges Thema ist die Zerrissenheit zwischen den Kulturen. Gerade die drei Kinder schwanken stark zwischen dem modernen Leben der Wahlheimat ihrer Eltern und den Gebeten und strengen Regeln einer Heimat/Religion, die sie niemals kennengelernt haben. Die Familie lebt in einer islamischen Gemeinschaft in der Fremde und hält sehr stark am Islam fest. Eine Herausforderung.
Die beiden Töchter passen sich weitgehend an, nicht so jedoch der drittgeborene Junge Amar. Von Anfang an ist er der Rebell und Fremdkörper in der Familie. Auch wenn sich schließlich auch die Mädchen durchsetzen und studieren, statt zu heiraten, Amar findet seinen Platz im Leben nur schwer. In der Familie und in dem Land, dem er sich nicht zugehörig fühlt. Woran das genau liegt, an der Persönlichkeit Amars, an der Entwurzelung, an der Religion, mit der er sich nicht identifizieren kann, an der Familienkonstellation? Gerade diese Unklarheit, bzw. unglückliche Verkettung von Umständen, lässt mich als Leser grübeln und das Buch lange nachwirken.

Die Figuren sind liebevoll und empathisch gezeichnet, eigentlich lieben alle einander, alles läuft (von kulturellen, religiösen Besonderheiten abgesehen), wie in jeder anderen Familie auch. Also, was ist schiefgelaufen? Über die Jahrzehnte hat sich ein Labyrinth aus Schuldgefühlen und Verdrängung entwickelt. Diese Empathie, die die Autorin so mühelos für ihre Protagonisten erzeugt, ist es, die dieses Buch so besonders macht.
 
Die Geschichte ist alles andere als chronologisch erzählt. Munter springt sie hin und her. Zwischen Protagonisten und Zeiten. Kunstvoll sind die einzelnen Erzählebenen miteinander verwoben und sorgen dafür, dass man sich trotzdem immer schnell wieder zurechtfindet. Beispielsweise spielt die Uhr des Vaters eine wichtige Rolle und taucht immer mal wieder auf. Des Öfteren liest man von ein und derselben Begebenheit, nur aus der Sicht eines anderen Familienmitglieds. Und die Autorin schafft es, dass man Verständnis, Mitleid für alle Beteiligten hat. Sogar versteht, dass derjenige in seiner Situation gar nicht anders handeln konnte.

Ein weiteres großes Thema sind die Geschwisterbeziehungen und die unvermeidliche Eifersucht untereinander. Banalitäten werden von jedem der drei Kinder unterschiedlich ausgelegt, jeder ist der Meinung benachteiligt, ja, weniger geliebt zu werden. Gerade als Mutter von ebenfalls drei Kindern, haben mich die ein oder andere Situation und deren Auswirkungen stark getroffen.

Ein Herzensbuch. Ergreifend und berührend, das großartige Debüt einer jungen Autorin. Unbedingt empfehlenswert!