Rezension

Ein highlight 2018

Sag den Wölfen, ich bin zu Hause
von Carol Rifka Brunt

Bewertet mit 5 Sternen

„Eine Romantikerin zu sein, bedeutet, dass du immer das Schöne siehst. Das Gute. Du möchtest nicht die düstere Wahrheit der Dinge wahrnehmen. Du glaubst daran, dass sich alles zum Guten wenden wird.“ (S. 139)
Tell the Wolves I'm home hat sich schon einige Male in den letzten Jahre auf meinen Radar geschoben, und letztes Jahr habe ich dem Insidertipp nachgegeben. Nicht eine schlechte Review hatte mich erreicht, allerdings kannte auch kaum einer das Buch. Die die es kannten, liebten es alle. Auch ich gehöre mittlerweile zu der Schwärmfraktion, und befinde mich in guter Gesellschaft. Wie "Aristoteles und Dante entdecken die Geheimnisse des Universums" ist "Sag den Wölfen ich bin zuhause" ein perfektes Beispiel dafür, dass Jugendbücher nicht nur für Jugendliche sein müssen. Im Gegenteil, lange habe ich die Einteilung des englischen Titels in das Genre nicht mitgekriegt. Ja, die Erzählerin ist ein junges Mädchen, aber macht es das Buch nur deswegen zum Jugendbuch? In der deutschen Ausgabe wurde der Titel in Belletristik rausgebracht und ermöglicht damit hoffentlich mehr Menschen die Freuden dieser Geschichte.
June verliert ihren Menschen. Den einen der immer auf ihrer Seite ist, der sie immer versteht, der einzige den sie braucht um glücklich zu sein. Ihr Onkel Finn. Keine spricht wirklich darüber was passiert ist, keiner hat Verständnis für ihre Trauer und in einer hoffnungslosen Welt ohne Aussicht auf Besserung trifft June Toby. Toby, der ihren Schmerz versteht und ebenfalls empfindet. Toby der ebenso alleine ist. Aus Verzweiflung und Einsamkeit entsteht eine Freundschaft, kommen Wahrheiten ans Licht. June wächst über sich hinaus, überwindet Grenzen, hinterfragt und öffnet Türen. 
Familie kann kompliziert sein. Den Mut sich gegen sie zu stellen oder zur Sprache zur Stellen muss June im Laufe der 488 Seiten lernen, und der Leser lernt mit ihr. In Rückblenden werden wir der einzigartigen Beziehung zwischen Onkel und Nichte näher gebracht. June ist eine ruhige Erzählerin, nicht immer liebenswert, aber ehrlich. Sie träumt davon mit den Wölfen im Wald zu laufen, von Menschen die sich nur auf die Wange küssen und keinen Sex brauchen um sich ihre Liebe zu beweisen. Sie glaubt sie liebt Finn, und glaubt sie hasst ihre Schwester. June erlebt eine Entwicklung wie ich sie selten zuvor miterlebt habe. 
Die Autorin hat Finn Künstler sein lassen, und Kunst, sowie Musik werden eingebracht, lassen die Ära der 80er auferstehen. 
Aids ist wie eine Figur in der Geschichte über die niemand sprechen mag. Die Darstellung der Krankheit war mitreissend und wie ich fand passend eingebracht. 
Ein wichtiges Buch mit wichtigen Themen wundervoll umgesetzt und wohl nicht mehr lange ein absoluter Insidertipp. Absolute Kaufempfehlung!

„Mir ging durch den Kopf, wie das alles gleichzeitig falsch und schrecklich und schön war.“ (S. 279)