Rezension

Ein Highlight ...

Vom Ende der Einsamkeit
von Benedict Wells

"Vom Ende der Einsamkeit" von Benedict Wells ist 2016 im Diogenes Verlag erschienen.

Zum Inhalt: Jules und seine beiden älteren Geschwister Marty und Liz verlieren im Kindesalter ihre Eltern durch einen Autounfall. Jeder der drei versucht bis ins Erwachsenenalter hinein, auf seine ganz eigene, unterschiedliche Weise mit dem Verlust, der Einsamkeit und den sich daraus ergebenen Veränderungen zurecht zu kommen.

„Doch noch immer sprach ich nie über meine Eltern. Mein sehnlichster Wunsch war es, keine verdammte Waise mehr zu sein, sondern einfach nur normal. Ich ließ die Erinnerungen an meine Eltern gut verschnürt in einer Ecke meines Bewusstseins verstauben …“

Ich habe erst im Nachhinein gelesen, dass Wells großes Vorbild John Irving ist. Hätte ich das gewußt, hätte ich dieses Buch vielleicht nie gelesen (weil ich Banause Irving nicht mag) und wer weiß, was mir dann entgangen wäre….

Dieses Buch ist wie eine Reise und nimmt uns mit auf den Lebensweg von Jules – dem Ich-Erzähler – und seinen Geschwistern, die so ganz unterschiedlich mit dem Tod ihrer Eltern umgehen. Und es macht deutlich, dass – obwohl jeder der drei den gleichen Verlust erlitten hat – jeder einen anderen Weg geht, um dies zu verarbeiten. Erzählt wird in Rückblenden von der Kindheit der drei bis hin zur Gegenwart. Dabei gibt es keinen roten Faden oder eine wirklich chronologische Reihenfolge der Ereignisse. Statt dessen sind es eher Momentaufnahmen, die Wells beschreibt – Momentaufnahmen, die besonders für Jules in seinem Leben wichtig waren.

Gleichzeitig wird die Liebesgeschichte zwischen Jules und Alva erzählt, die so voller Liebe und Traurigkeit ist, ohne dass sie sentimental oder kitschig wird.

„Vom Ende der Einsamkeit“ ist ein leises Buch, das trotz der großen Dramatik, die die Kinder erleben müssen, ohne Dramatik rüber kommt, sondern das Leid und die Entwicklung mit einfühlsamen, stillen Worten beschreibt. Wells schreibt melancholisch, voller Poesie und erfasst so die Tiefe seiner Protagonisten.

Und das hat mich mitgerissen, und zum Lachen und zum Weinen gebracht. Es ist emotional und bewegend. Dies ist ein Roman über den Tod und auch über eine wundervolle Liebe. Vor allem ist es aber ein Buch über das Leben, über das Überwinden von Schmerz und die Versöhnung mit der Vergangenheit und mit sich selbst.

„Noch stärker als meine Geschwister habe ich mich gefragt, wie sehr mich Ereignisse aus meiner Kindheit und Jugend bestimmt haben, und erst spät habe ich verstanden, dass in Wahrheit nur ich selbst der Architekt meiner Existenz bin. Ich bin es, wenn ich zulasse, dass meine Vergangenheit mich beeinflusst, und ich bin es umgekehrt genauso, wenn ich mich ihr widersetze. Und ich muss nur an die Momente mit Alva und meinen Kindern denken, um zu begreifen: Dieses andere Leben, in dem ich nun schon so deutliche Spuren hinterlassen habe, kann gar nicht mehr falsch sein. Denn es ist meins.“

Benedict Wells habe ich ab sofort ganz oben auf meiner Liste grandioser Wortvirtuosen und ich kann dieses Buch wirklich nur von ganzem Herzen empfehlen.