Rezension

Ein Hightlight

Im Wasser sind wir schwerelos -

Im Wasser sind wir schwerelos
von Tomasz Jedrowski

Bewertet mit 5 Sternen

Polen 1980. Ein kommunistisches Land. In dieser Zeit lernen sich Ludwik und Janusz auf einem "freiwilligen" Arbeitseinsatz auf dem Land kennen. Im Anschluss verbringen sie einige Tage zu zweit an einem abgelegenen See, mitten im Wald. Dort sind sie frei, sich zu lieben und sich zu öffnen. Doch die Zeit ist begrenzt und irgendwann müssen sie zurück in die Stadt, zurück in die Wirklichkeit.

Vor dem Lesen dachte ich, dass es hier um die verbotene Liebe zwischen zwei jungen Männern geht. Und das stimmt zum Teil. Doch "Im Wasser sind wir schwerelos" bietet noch so viel mehr. Ludwik, mittlerweile lebt er in New York, erzählt von diesem lang vergangenen Sommer, er spricht mit seiner ersten großen Liebe Janusz, spricht ihn direkt an, ein ständiges Du. Die Anziehungskraft und Liebe stellt beide Männervor Herausforderungen. Sie sind sehr unterschiedlich, Ludwik leidet unter der politischen Situation, der Überwachung und dem Verfall Polens. Er träumt von einer Flucht in den Westen, endlich frei sein. Ganz anders Janusz, der in der Partei einen Weg aus der Armut sieht, er träumt von einer Karriere im Regime und tut alles dafür um den sozialen Aufstieg möglich zu machen. Sehr eindrücklich schildert Jedrowski die Zustände in Polen, man hat das Gefühl dort zu sein. Die Entbehrungen und Probleme, die ständige Angst, die Korruption,die das tägliche Leben für viele erschwert im Austausch für Priviliegien weniger.

Im Zentrum dieser Liebesgeschichte steht der in Polen verbotene Roman "Giovannis Zimmer" von James Baldwin. Darin geht es ebenfalls um die verbotene Liebe zwischen zwei Männern, die Parallelen zu Ludwik und Janusz sind deutlich. Ludwik erkennt sich in den Worten Baldwins wieder, versteckt zwischen den Seiten eines anderen Buches, gibt ihm 'Giovannis Zimmer' so viel Mut und Verständnis. 

Jedrowski schildert die Geschehnisse so eindringlich und einfühlsam, seine Figuren sind unglaublich vielschichtig, sie fühlen sich echt an, als würde man sie schon Jahre kennen. Der Schreibstil nimmt mich von der ersten Seite an für sich ein. "Im Wasser sind wir schwerelos" ist eine sehr berührende und eindringliche Geschichte über die erste große Liebe, über die eigene Sexualität und Identität und was man bereit ist, dafür zu tun. Es ist ein Buch über Freundschaft, über das Erwachsenwerden und über Entscheidungen, die man in seinem Leben treffen muss. Jedrowski nimmt den Leser mit auf eine melancholische Reise, er berührt mich im Innersten, seine poetische und dennoch klare Sprache trifft mich mitten ins Herz. "Im Wasser sind wir schwerelos" wird zu meinen Jahreshighlights zählen.