Rezension

Ein historischer Roman, aus dem wir heute noch einiges lernen können.

Vom Winde verweht
von Margaret Mitchell

Die Geschichte dieses Buch- und Filmklassikers dürfte bekannt sein, vor allem denen, die sich diesen Artikel ansehen. Für alle anderen gebe ich die Geschichte kurz wieder:
Die Geschichte beginnt am Vorabend des Sezessionskrieges (1861-65). Scarlett O´Hara ist die verwöhnte Tochter eines Plantagenbesitzers aus Georgia, der die jungen Männer zu Füßen liegen. Nur Ashley nicht, aber in ihn ist Scarlett verliebt. Das ahnt niemand außer Rhett Butler, ein Mann von zweifelhaftem Ruf, der Scarlett und Ashley belauscht hat. Dann geht es schnell: Ashley heiratet seine Cousine Melanie, Scarlett aus Trotz deren Bruder Charles, der Krieg bricht aus und Scarlett ist nach drei Monaten Witwe. Sie zieht zu Melanie nach Atlanta, wo sie den Rest des Krieges bleibt. Immer wieder begegnet sie Rhett Butler und er ist der einzige, der ihre Fassade der wohlerzogenen Tochter durchschaut, denn Scarlett ist alles andere als eine trauernde Witwe.
Die Armeen des Nordens rücken immer weiter vor und Scarlett flieht buchstäblich in letzter Minute mit Melanie und ihrem Neugeborenen nach Tara, der Plantage ihrer Eltern. Doch dort ist alles zusammengebrochen. Die Mutter ist gestorben, der Vater geistig verwirrt und die Schwestern trauern dem schönen Leben hinterher. Die ganze Verantwortung lastet nun auf Scarlett. Sie lernt in den folgenden Monaten die Lektion, die den Rest ihres Lebens prägen wird: Sie will nie wieder arm sein.
Nach Ende des Krieges beginnt der Wiederaufbau. Scarlett heiratet Frank Kennedy, den Verlobten ihrer Schwester und zieht mit ihm nach Atlanta und baut sich einen Holzhandel auf, mit dem sie sehr viel Geld verdient. Allerdings verstößt sie damit auch gegen jede gesellschaftliche Konvention, was sie sehr bald zu spüren bekommt.
Als ihr Mann erschossen wird, heiratet sie Rhett Butler, dem sie auch vorher immer wieder begegnet ist. Da Scarlett aber immer noch in Ashley verliebt ist, hält sie Rhett mehr und mehr auf Distanz. Erst nach vielen Jahren erkennt Scarlett, dass nicht Ashley ihre wahre Liebe ist, sondern Rhett. Dann ist es aber zu spät. Da ich mich hier auf andere Aspekte als den Inhalt konzentrieren möchte, werde ich mich damit begnügen. Wer mehr über die Geschichte wissen will, wird bei Wikipedia fündig.

Ich interessiere mich sehr für Geschichte und habe mit einigen Historienromanen so meine Probleme. Je größer der Abstand zu der Zeit, über die man schreibt, desto schwieriger wird es, diese richtig zu beschreiben. Aber Margaret Mitchell lebte in Atlanta und das Buch erschien 1936, also in einer Zeit, wo der alte Süden noch sehr lebendig war, zumindest in der Erinnerung der Menschen.
Scarlett ist eine Frau, die sich gegen die gesellschaftlichen Konventionen stellt. Sie betreibt einen Holzhandel, fährt ohne Begleitung aus und hat Kontakte zu den Yankees. Alles Dinge, die eine anständige Südstaatenlady nicht tat. Dafür wird sie mit Ausstoß aus der Gesellschaft bestraft. Das kann sie eine Weile ignorieren, aber als Melanie, ihre einzige Fürsprecherin stirbt, steht sie einsam da. Das Buch zeigt auch, wie streng die Regeln waren und sollte auch deshalb von jeder Autorin von Historienromanen gelesen werden. Die Frauen durften fast nichts, außer lieb lächeln und die Männer anhimmeln. Zu viel essen war verpönt, zu viel Sonne, ein zu großes Dekolletee, ein zu lautes Lachen usw.
Das Buch zeigt auch, wie sehr der Süden in diesem Krieg gedemütigt wurde und wie zerrüttet das Verhältnis zwischen Nord und Süd war, und vermutlich bis heute ist. Heute bekommt man ja gerne den Eindruck vermittelt, der Krieg sei beendet worden und danach seien die USA zu einer Nation zusammengewachsen. Margaret Mitchell zeichnet da ein anderes Bild. Der Norden tat alles, um die Südstaatenrebellen zur Raison zu bringen. Die Männer dürfen nicht wählen, erhalten keine Sitze im Kongress und werden auf Schritt und Tritt bewacht. (Wie Besatzer sich nun einmal verhalten) Das kann im Süden niemand überwinden, genauso wenig wie die Zerstörung ihrer Kultur. Die großen Plantagen gehören der Vergangenheit an und damit auch das hochherrschaftliche Leben. Das ist ein Schwachpunkt an diesem Roman, denn das Leben wird sehr romantisiert. Wir dürfen nicht vergessen, dass nur ein winziger Bruchteil der Südstaatler Plantagen hatte und deren Reichtum beruhte auf Sklaverei. Zwar wird hier gezeigt, wie komplex die Sklavenhaltergesellschaft war und dass auch die Sklaven ihre Wege fanden, sich ihre Herrschaften „zurechtzuerziehen“, aber die Sklaverei war natürlich ein Unrecht. Die Haussklavin Mummy war allerdings einer der wenigen Menschen, vor denen Scarlett wirklich Respekt hatte.
Mein Fazit: Auch nach 80 Jahren ist dieses Buch immer noch lesenswert. Und wem lesen zu anstrengend ist, kann es sich als Hörbuch auf YouTube anhören.