Rezension

Ein historischer Roman, der sich zu lesen lohnt! LESEHIGHLIGHT

Die Ärztin: Das Licht der Welt - Helene Sommerfeld

Die Ärztin: Das Licht der Welt
von Helene Sommerfeld

Bewertet mit 5 Sternen

Dass dieses Weihnachten, man schreibt das Jahr 1876, ein einschneidendes Erlebnis und eine Veränderung für Ricarda, Tochter des Gärtners auf Schloss freystetten, bringen würde, ahnte an dem frühen Nachmittag noch niemand. Die dreizehnjährige Ricarda war mit dem Hund Berta draußen, unten am zugefrorenen See. Florentine, die Tochter des Grafen, gerade mal ein Jahr älter als Ricarda, war mit dessen älterer Schwester Antonia auf dem Eis. Da passiert das Unglück, Florentine war eingebrochen. Antonia und Ricarda versuchen sie zu retten. Das Mädchen wird gerettet, aber Antonia verliert hier ihr Leben. Dieses einschneidende Ereignis haftet Ricarda immer in ihrem Gedächtnis.
Die unverheiratete Komtess des alten Grafen hatte im Ausland Medizin studiert und war zu dem Zeitpunkt auf dem Anwesen. Im Reich gab es das nicht, Frauen und Medizin studieren usw. Sie durfte praktizieren, allerdings ohne den anerkannten Titel. Es war die damalige Zeit, die Gesellschaft, die vorschrieb, dass Frauen zweitrangig galten. Es gab Lehrerinnen, allerdings wenn sie heirateten z. B. mussten sie ihren Beruf aufgeben. Es dürfte ja bekannt sein, wie lange es gedauert hat, dass die Männervorherschaft aufgebrochen wurde. Und dazu bedurfte es starker Frauen. Die Komtesse also war allein, lebte und wirkte in Berlin
Henriette nimmt Ricarda mit nach Berlin, als Mündel, in ihre Obhut. Es war ein letzter Wunsch des alten Grafen gewesen. Eine Dankbarkeit für die Rettung seiner Enkelin. Dort wird Ricarda die Schule besuchen und nach anfänglichen Startschwierigkeiten zwei Freundinnen fürs Leben finden. Eleonore Singer, aus gut betuchtem Haus, und Kumari Kallstadt. Auch wenn sich ihre Wege später trennen, verlieren sie sich nicht aus den Augen.

Mit dem ersten Band "Das Licht der Welt" geht es auf eine Zeitreise in die Zeit Ende des 19. Jahrhunderts. Handlungsorte sind Berlin, Brandenburg, als auch die Schweiz. Es zeigt die Widrigkeiten und Schwierigkeiten als Frau sich in einer reinen Männergesellschaft durchzusetzen, in einem Beruf anerkannt zu werden. Teils dramatisch geschilderte Lebensumstände, die zur damaligen Zeit zur Tagesordnung gehörten, werden einen sehr bildhaft vor Augen geführt. Nun ja, gäbe es da nicht ein paar wenige Frauen wie die Komtesse, die sich gegenseitig bei dem Kampf um die Stellung der Frau im Beruf, der Medizin unterstützten.
Es gibt sehr viele Charaktere, die eine gewichtige Rolle in dem Roman spielen.
Ricarda Petersen, die Tochter des Gärtners und der Köchin auf dem Schloss in Brandenburg, ihren Weg, den sie geht, die innere Stimme, die sie antreibt, die Entwicklung dieser Protagonistin war klasse, großartig beschrieben, so authentisch vorstellbar. Aber auch ihre Familie, wenn es auch hauptsächlich nach dem Tod von Antonia meistens um die Mutter ging, war berührend.
Komtesse Henriette von Freystetten, es gab so viel zu tun für sie und immer diese Schwierigkeiten, die Steine im Weg, zur Veränderung. Doch sie bringt Ricarda auf den richtigen Weg und muss lernen loszulassen.
Florentine von Freystetten, sie verdankte Ricarda ihr Leben, während diese ihre Schwester verlor, eine verwöhnte Göre wie aus dem Bilderbuch vom Adel. Mit ihr hat man mehrfach das Vergnügen. Keine sympathische Figur, aber passend. Zum Ende des Romans bin ich zur Überzeugung gekommen, dass diese im zweiten Band Ricarda noch einmal übel mitspielen wird. Ist aber nur so eine Vermutung, denn warum hebt sie alle Notizen von Ricarda aus dem Studium auf und will ein Buch schreiben?

Mit Siebenmeilenstiefeln war Ricarda durchs Leben geeilt (aus dem Buch S. 533) und ihr eigenes Ziel nicht aus den Augen verloren. Ihr begegnet die Liebe, der Leser erlebt alle Facetten des menschlichen Lebens, sei es Erfolg, sei es Leid.  Spannung und Gefühl reichen sich hier die Hand. Es ist die Geschichte von starken Frauen, die in der damaligen Zeit, der Männergesellschaft allen Widrigkeiten trotzen und ihren Weg gehen.
Das Autorenduo schreibt in einem sehr schönen Stil, wobei sie es verstehen, die Charaktere mit Leben zu erfüllen. Gerade auch die gesellschaftlichen Strukturen der damaligen Zeit, in der die Handlung spielt, sind klar gezeichnet.
Das Cover ist einfach nur  wow... Die Farben in harmonischen Blautönen. Es gefällt mir ausgesprochen gut!
Meine Leseempfehlung für alle, die sich mit der vergangenen Geschichte, der Medizin interessieren.
Zum Jahresende erscheint der zweite Band. Ich werde zwar den Sommer genießen, aber dennoch würde ich jetzt gern schon weiterlesen! ☺