Ein humorvoller Kriminalroman mit einer außergewöhnlichen Protagonistin
Eine Gardienne auf Mörderjagd
Lucie ist seit nunmehr vier Jahrzehnten die Gardienne im Haus Nummer 3 am Place des Vosges und leistet hervorragende Arbeit. Dieser Platz gehört zu den ältesten und schönsten Orten in Paris und wird heute von den Reichen und Schönen der Stadt bewohnt. Die Menschen wissen die Gardienne mit ihrer tatkräftigen und liebenswürdigen Art und Weise sehr zu schätzen. Nur der neureichen Vanessa Blandel ist sie ein Dorn im Auge. Während alle Hausbewohner sich freuen, dass sich Lucie auch nach ihrem Feierabend rührend um ihre Schäfchen kümmert, begegnet Vanessa der alten Dame konsequent mit Hochnäsigkeit und Ablehnung.
Und doch deckt Lucie nach kurzem Überlegen Vanessas Betrug an deren Ehemann Justinien, um diesem zumindest vorerst ein gebrochenes Herz zu ersparen. Sie ahnt dabei nicht, dass sie im Moment der Vertuschung wahrscheinlich gerade einen möglichen Tatort geputzt und wichtige Beweise vernichtet hat, denn die Ehebrecherin wird wenig später tot aus der Seine geborgen. Schnell steht fest, dass ihr Ableben kein Unfall war. Für Lucie beginnen die stressigsten Tage ihres Lebens, schließlich fürchtet sie, dass Kommissar Legrand sie durch ihre Beseitigung der Spuren selbst für die Täterin halten könnte. Lucie hat keine Wahl: Sie muss der Polizei einen Schritt voraus sein und Vanessas Mord selbst aufklären, doch dabei riskiert sie neben ihrer Ehe sogar das eigene Leben …
Eilig ging sie an Justiniens Büro vorbei ins Schlafzimmer und erschrak. Über den neuen knallblauen Teppichboden verteilt lagen achtlos hingeworfen Dessous. Auf dem Nachttisch standen eine geöffnete Flasche Champagner und zwei halb volle Gläser, daneben lag ein Blister mit der Antibabypille. Die zerwühlten Laken sahen aus, als ob auf dem Bett ein Kampf stattgefunden hätte, und an den schmiedeeisernen Verstrebungen hingen schwarze Tücher.
– Seite 19 –
Französisches Flair auf jeder Seite
Da Lucie die gute Seele des Hauses ist und die Bewohner gerne ihre unzähligen Hilfsangebote annehmen, genießt sie in deren Kreis besonders großes Vertrauen und viele Freiheiten. Nur mit Vanessa Blandel, die der Leser kurz vor ihrem Tod noch kennenlernt, kommt Lucie gar nicht klar. Doch es wird recht schnell deutlich, dass die Schuld dafür bei Vanessa liegt. Denn auch sonst tritt sie nicht gerade sympathisch auf. Aus diesem Grund ist es mehr als verständlich, dass sich Lucie zwar zum eigenen Schutz auf die Suche nach dem Mörder begibt, ihre Trauer jedoch eher gering ausfällt. Bei ihrer Recherche überschreitet sie zwar sämtliche Grenzen zur Lösung des Falls, doch dank ihrer äußerst sympathischen und kessen Art kann man der alten Dame einfach nicht böse sein.
Ihr Gegenspieler im Roman ist übrigens wider Erwarten zunächst nicht die Person, die Vanessa Blandel auf dem Gewissen hat. Dieses Phantom ist zunächst zweitrangig. Vielmehr muss Lucie erst einmal gegen die Zeit und die Arbeit der französischen Polizei kämpfen. Doch Kommissar Legrand ist kein großer Gegner für Lucie, denn er erinnert während seiner Ermittlungen häufig an einen tapsigen Hobbydetektiv, dem jedes Verständnis für die Polizeiarbeit fehlt. Wie gut, dass Lucie hinter seinem Rücken die eigentlichen Ermittlungen leitet. Zwar schöpft er immer wieder verdacht, doch Lucie ist einfach zu schlau für ihn. Ebenso schillernd wie die Figuren des Romans sind übrigens auch die Beschreibungen der Kulisse, die auf Lucies Streifzügen regelrecht zum Leben erwacht. Mit jedem ihrer Worte und Sätze konserviert Marie Pellissier somit für ihre Leser ein Stück des Pariser Flairs.
Fazit
Die tödliche Tugend der Madame Blandel von Marie Pellissier ist ein leichter Krimi mit farbenfroher, französischer Kulisse, der das Pariser Flair geradezu perfekt einfängt. Statt blutiger Szenen überzeugt Lucies erster Fall mit tollen Charakteren und viel Humor. Der Roman – wieder einmal ein Reihenauftakt – lässt sich aufgrund seiner gefälligen Sprache und unterhaltsamen Handlung perfekt an einem gemütlichen Nachmittag oder Abend lesen und weckt bereits beim Lesen Lust auf die Fortsetzung.