Rezension

Ein interessant konstruierter norwegischer Krimi mit einer besonderen Sicht auf Vorverurteilungen

Jagdhunde - Jørn Lier Horst

Jagdhunde
von Jørn Lier Horst

Bewertet mit 4.5 Sternen

"Jagdhunde" ist ein preisgekrönter Ermittler-Krimi der Extraklasse von Skandinaviens Starautor Jørn Lier Horst und erscheint im Droemer Verlag 2018. Es ist der vierte Band einer Krimi-Reihe um William Wisting.

Norwegen: Hauptkommissar William Wisting wird vom Dienst suspendiert, weil ihm vorgeworfen wird, Beweise manipuliert zu haben. 17 Jahre nach dem Fall Cecilia Linde wird der Fall wieder aufgerollt. Die Frau wurde damals nach ihrem Verschwinden ermordet aufgefunden und Wisting konnte den Täter überführen. Mittlerweile steht aber fest, dass Beweise gefälscht wurden. Der Hauptkommissar wird vor Gericht angeklagt und von der öffentlichen Presse verfolgt und setzt nun ohne dienstlichen Weg alles daran, herausfinden, was damals wirklich geschah. Seine Tochter, eine clevere Journalistin, ist ihm dabei eine große Hilfe. Ein weiterer Fall einer verschwundenen Frau zeigt Parallelen zu dem alten Fall auf und macht die Ermittlungen damit umso brisanter.

Bei diesem Krimi von Jørn Lier Horst geht es nach gewohnt skandinavischem Strickmuster zu. Es ist Herbst und es regnet häufig. Diese trübe Grundstimmung bildet einen passendenden Hintergrund für die Ermittlungen in der norwegischen Kleinstadt. Der Krimi wirkt dunkel, finster und recht ruhig, es geht ohne Blutvergießen ab. Die Geschichte ist in relativ kurze Kapitel eingeteilt, die Sprache ist nüchtern und dennoch anspruchsvoll, weil wortreich beschreibend und man ist schnell in der Handlung gefangen.

Der Hauptfokus liegt auf den akribisch geführten Ermittlungen mit denen der alte Fall erneut untersucht wird. Lag der Fehler auf einer Vorverurteilung des Beklagten und damals verurteilten Täters? Beteiligte und Kontaktpersonen des verurteilten Täters werden nach all den Jahren aufgesucht, um das entscheidende Loch in der Beweiskette zu finden. Wisting wird durch seine Anklage der Pressediffamierung öffentlich ausgesetzt. Diesem Druck muss er standhalten, was ihm zunehmend schwerer fällt. Bei der Ermittlungsarbeit wird Wisting von seiner Tochter Line unterstützt und dank ihrer investigativen Journalistenausbildung kommen sie dem Beweis für Wistings Unschuld auf die Schliche.
 

Bei den Charakteren erleben wir Wisting als einen erfahrenen, gereiften und damit abgeklärten Menschen. Er vertraut auf solide Polizeiarbeit und als aktiven Gegenpart spielt seine Tochter die impulsive und vordergründig agierende Heldin des Krimis. 

Mit dem verurteilten Täter Rudolf Haglund schauen wir auf eine Figur, bei der lange Zeit nicht klar ist, ob er wirklich schuldig ist. Wisting ist davon überzeugt. Insgesamt erscheinen mir die Charaktere eher etwas zu glatt, blass und zu sachlich beschrieben. Ich mag mehr die besonderen Ermittler. 

Der Krimi ist gut erzählt, wirkt perfekt konstruiert und bringt mit der Zeit immer mehr Zusammenhänge ans Licht. Es wird deutlich, wie sehr auch Polizisten sich bei ihrer Arbeit von ihrer eigenen Meinung leiten lassen, dann die Beweise zur Untermauerung dieser bestimmten These untersuchen und anderen Indizien nicht genügend Bedeutung beimessen. Wie schnell ist die Vorverurteilung schon bei manchen Ermittlungen gegeben?

Die Spannungskurve entwickelt sich gleichzeitig mit den detektivisch ausgeführten Untersuchungen. Hier wird jedes Puzzleteil neu bewertet und bringt damit neue Erkenntnisse und das Zusammenspiel zwischen Vater und Tochter funktioniert einwandfrei. Beide denken logisch und ziehen an einem Strang.

Ein gut konstruierter norwegischer Krimi, der den Blick auf realistische Polizeiarbeit lenkt. Mir hat besonders der Schreibstil gut gefallen und ich würde gern weitere Fälle dieses Ermittlungsgespanns von Vater und Tochter lesen.