Rezension

Ein interessanter Entwicklungsroman

Fünf Tage im Mai - Elisabeth Hager

Fünf Tage im Mai
von Elisabeth Hager

Bewertet mit 4 Sternen

Ein Denkmal für den Großvater, aber noch viel mehr...

„Fünf Tage im Mai“ von Elisabeth R.Hager: ...ein typischer Ausspruch: „die Seele ist ein VierKlee. Jedes vierte Blatt ist verstrahlt.“

Illy, auch „Peppermint Patty“ genannt, wächst in Tirol auf, wo ihr Urgroßvater „Tatka“ eine wichtige Bezugsperson für sie ist. Der ist eine der letzten Fassbinder Österreichs, ein „Auslaufmodel“, Kind der K&K-Monarchie und des Weltreichs Österreich-Ungarn - ein uriger Kauz, dem das Ehrenwort noch etwas gilt und der klassische Melodien pfeift wie andere Leute Gassenhauer. Das Buch beschreibt fünf Tage aus dem Leben von Illy und Tatka, die nicht nur deren besondere Beziehung über zwei Jahrzehnte hinweg beschreiben, sondern gleichzeitig wichtige Wendepunkte des Lebens markieren.

Die Autorin, Elisabeth Hagar, ist Jahrgang 1981, arbeitet auch als Klangkünstlerin, Kulturvermittlerinnen und fürs Radio, lebt, wie es heißt, zwischen Tirol, Berlin und Neuseeland. Das Besondere an ihrem kleinen Roman ist nicht so sehr die Geschichte an sich, sondern die Darstellungsform. Der Autorin reichen fünf Tage um den ganzen Kosmos dessen, was das Leben ausmacht, Familie, Liebe, Schuld, Verlust und Abschied, darzustellen. Es ist entsprechend weder ein besonders fröhliches noch actionreiches Buch. Die Sprache ist stellenweise poetisch und es gibt interessante philosophische Einlassungen, die Schlitzohrigkeit des alten Urgroßvaters findet sich in einem feinen Hintergrund-Humor wieder, der große Teile der Geschichte durchzieht. Die Dialoge sind teilweise im Dialekt dargestellt, was dem Ganzen m.E. Authenzität verleiht. Weisheiten und große Themen sind in kleinen Geschichten oder in Tatkas Sprüchen versteckt. Illy erzählt dabei ihre Entwicklungsgeschichte aus der Ich-Perspektive, in detailreichen Bildern. Die beiden Hauptprotagonisten schließt der Leser schnell ins Herz, an manchen Sätzen kann man sich beim Lesen einfach erfreuen. („… im Inneren (der Kirche) umschlossen uns marmorne Gefühle und der Geruch noch süßer Verzweiflung. Die Wände waren vom Stuck überwuchert. Heiligenstatuen starrten uns lebensmüde von den Mauervorsprüngen herab an, während wir uns in winzigen, feierlichen Schritten durch das Mittelschiff bewegten. „) Einige wirken allerdings auch allzu gewollt, manchmal hat man den Eindruck, dass die Autorin mit „Gewalt“ versucht das Gelernte aus der Autorenschule in der Praxis umzusetzen („… unsere Laute waren Putzlappen, mit denen wir vergeblich versucht haben, den Schmerz auf zu wischen.“). Die Eltern der Hauptprotagonistin kommen m.E. erstaunlich blass daher, obwohl der Hauptteil der Story von klassischen Erwachsenwerdenthemen handelt. Einige andere Charaktere gefielen mir überhaupt nicht, was mir zusätzlich erschwerte, das Buch als wirkliches „Highlight“ zu sehen. Emotional konnte mich ausgerechnet die Liebesgeschichte nicht wirklich erreichen, die sich anbahnende Katastrophe war m.E. zu vorhersehbar. Was mir dennoch wieder gefiel, war die Schilderung des inneren Gefängnisses, des Ringens um Entscheidungen und Verantwortung bei Illy, ebenso das Ende der Geschichte, das die psychischen Folgeschmerzen zu befreien vermag - es war einfach, aber rund, und deshalb gelungen. Fazit: Für mich kein Familienroman, eher ein Buch über allgemeine Lebensthemen, über Heimat, ein sog. „Coming-on-age-Roman“ in einer außergewöhnlichen und großteils gelungenen Schreibweise. Ein eher ruhiges Episoden-Buch, das allerdings Gewalt oder Obszönitäten nicht ausspart, sprachlich ambitioniert, aber mit einigen ungeschliffenen Textstellen, auch an Dialekten sollte man sich nicht grundsätzlich stören. Dann steht immerhin der Entdeckung einer interessanten jungen Autorin nichts im Weg