Rezension

Ein Jugendbuch, das auch für Erwachsene mehr als geeignet ist!

Zwillingssterne - Cristina Moracho

Zwillingssterne
von Cristina Moracho

Freundschaften aus Kindertagen verändern sich. Zwei Jugendliche. Die Liebe taucht auf, zu unsicher und filigran, um von ihr laut zu sprechen. Dann taucht der Andere ab, schläft Wochen, Monate... Was soll die Liebe da tun? Still und zurückhaltend sein, oder hervorpreschen und endlich gezeigt werden? Und wie soll das geschehen?....

Schlaf - er kommt wie eine langsam heranrollende Welle auf ihn zu. Immer dichter. Die Welle ist lautlos, macht ihn träge. Er kann der Welle des Schlafes nicht entrinnen, sich nur vorbereiten. Die Vorbereitungen, die der Teenager Oliver trifft sind - sich seiner störenden Kleidung zu entledigen, und schnellstmöglich vom Auto zu einer bequemen Unterlage zu gelangen. Althea neben ihm im Auto lenkt ihn von seiner bleiernen Müdigkeit ab. Verlangt bei einem philosophisch anmutenden Frage-Antwort-Spiel seine Aufmerksamkeit. Doch Oliver "verliert". Um dann dem Schlaf - einer Droge, die ihm die Sinne raubt und ihm die Herrschaft über seinen Körper nimmt - gezwungenermaßen die Oberhand zu gewähren. Dem Schlaf zu erliegen - im wahrsten Sinne des Wortes. 

Eine unvorstellbare Situation. Den es handelt sich hierbei nicht um einen gefährlichen Sekundenschlaf, den Autofahrer in ihrem PKW nach langer Fahrtzeit übermannt, sondern es handelt sich um 10.000 von Sekunden, die dieser Trägheit folgen, wenn die Welle des Schlafes über Oliver hineinbricht.

Dieses Mal hat Oliver es bis in sein heimisches Bett geschafft. Althea hat ihm dabei geholfen. Und dieses Mal schläft er über 3 Wochen lang am Stück. Er wacht nur auf, um zu Essen und zu trinken, nur jedes Mal ohne Erinnerung an diese Wachzeiten, während dessen er (wie) ein anderer ist. 

 

Das Hörbuch beginnt mit dieser oben beschrieben Szene. Es ist Frühling. Oliver besucht die 11. Klasse der High-School in der Kleinstadt Wilmington im US-Bundesstaat North-Carolina. Althea und Oliver, beide 16 Jahre alt, sind Freunde seit der Grundschule, die es in den zurückliegenden 10 Jahren noch nicht einmal geschafft haben, sich für eine längere Urlaubsreise voneinander zu trennen. 

Für Althea bedeutet das erneute Einschlafen von Oliver: Es sind Olivers Freunde, nicht ihre Freunde, die ihr bleiben, als Oliver schläft. Althea bleibt alleine in der Schule. Die Mittagspause verbringt sie in ihrem Auto. Lässt sich vom Backen ablenken. Für die Schule macht sie lustlos gerade einmal so viel wie Notwendig. Schnell nimmt sie in ihrem Kellerzimmer mit Sofa den Zeichenblock zu Hand, und malt. Am liebsten bringt sie gekonnt die Dinosaurier aus ihren Träumen aufs Papier. 

Die Trennung in den diesen drei Wochen fühlt sich für Althea anders an, als die kurzen Trennungen in Kindertagen, als Althea ihre Mutter besucht hat. Sie vermisst Oliver. In diesen drei Wochen erinnert sich Althea daran, wann aus der Freundschaft für sie Liebe geworden ist. Es passierte im vergangenen Herbst. Es ist Altheas 16.Geburtstag, Oliver überredet sie eine Geburtstagsparty zu geben, während Altheas Vater nicht zu Hause ist. Althea wird an diesem Abend klar, sie will, dass Oliver sie küsst. Sie vermisste etwas, was noch nicht mal geschehen war.

Doch empfindet Oliver genauso? Doch in dieser Geschichte wird keine Liebesgeschichte von Jugendlichen im eigentlichen Sinne erzählt, sondern die Geschichte zweier junger Menschen, die auf ihre Art und Weise anders sind als der Rest der Gleichaltrigen. Althea mag keine Partys, keine Menschenansammlungen, redet nicht gerne mit Leuten, besonders, wenn sie die Leute nicht kennt, wo zu auch Olivers Freunde gehören. Althea ie ist gerne für sich, und sie verbringt ihre Zeit am liebsten, und wenn möglich, ausschließlich mit Oliver. Oliver dagegen ist von seinem Charakter anders als Althea, doch seit Beginn des 11. High-School-Jahres verpasst Oliver während langer Schlafphasen Schulprüfungen, Fußballspiele und sein Leben mit Althea. Und das macht ihn auch anders als die anderen Gleichaltrigen. 

Im Juni am Ende des 11. High-School-Jahres verfällt Oliver zum dritten Mal in einen Dornröschenschlaf. Genau in der Nacht, nachdem er und Althea sich körperlich Nahe waren, sich geküsst haben. Oliver das Mehr verhindert hat, als er sich mit der Entschuldigung, er sei betrunken, vor Altheas Haustür verabschiedet hat. Und dann verschläft Oliver den kompletten Sommer. Zwei Monate lang. Und während einer kurzen Zeit des Wachseins von Oliver tut Althea etwas, was ihre Freundschaft beendet, als Oliver es Ende August von Althea erfährt. 

Oliver reist Wut entbrannt, und ohne Althea Bescheid zu sagen, nach New York. Dank seiner niemals müden Mutter, die zig Ärzte mit Olivers Krankenakte konsultiert hat oder sie ihnen geschickt hat, weiß Oliver nun, wie seine Krankheit heißt. Diese Krankheit verursacht diese langen Schlafperioden. In New York verbringt Oliver mit zwölf anderen Jungen aus den USA in der Schlafabteilung eines New Yorker Krankenhauses die nächsten Monate. Ständig überwacht von Ärzten, Krankenschwestern, Geräten und Maschinen ...

Althea reist ihm nach, als sie erfährt, wo er sich aufhält, und findet ihn im New Yorker Krankenhaus schlafend vor ...

 

Es ist eine wunderbar eindringliche Geschichte vom Erwachsenwerden, die die Autorin geschrieben hat. 

Die Stimme - Stimmlage, Stimmhöhe, Intonation und Sprachfärbung - von Robert Stadtlober als Sprecher ist immer passend zu den Geschehnissen in der Handlung der Geschichte. Seine Worte erzeugen Bilder im Kopf, er beherrscht es seine Stimme so zu modulieren, dass man Gespräche zwischen den Protagonisten gut und einfach folgen kann. Seine Stimme passt er gekonnt an die Geschehnisse und den emotionalen Zustand der Protagonisten an. Sie ist gefühlvoll leise in traurigen Momenten, laut und schneller werdend in Streitgesprächen. Man meint als Zuhörer ein Schmunzeln oder ein Augenzwinkern herauszuhören und zu sehen während amüsanter Momente. Stadlober beherrscht es, einen zu fesseln und immer weiter der Geschichte zuzuhören. 

Am Anfang fand ich es etwas schwierig in die Handlung rund um Oliver und Althea, Olivers schlafbedingter Abwesenheit und besonders durch den Zeitsprung in die Vergangenheit einzusteigen. Doch das hat sich ab dem zweiten Viertel der Geschichte gelegt, was auch auf den Sprecher zurückzuführen ist. War ich schon beim Lesen der Leseprobe versucht, in der Suchmaschine das Krankheitsbild von Oliver einzugeben, und herauszufinden, ob es sich um eine tatsächlich erforschte Krankheit handelt, die Oliver schlafen lässt. So weiß ich jetzt, ja es ist eine Krankheit. Ich bin froh, dass es so ist, und keine fantastischen Gründe diese Krankheitssymptome auslösen. Das macht diese Freundschaftsgeschichte diese Geschichte um zwei Heranwachsende mit widerstreitenden Gefühlen zu etwas Besonderem. 

Ich finde es sehr gut, dass die Autorin mit diesem (Hör-)Buch einer bisher den meisten von uns unbekannten Krankheit ihr Buch gewidmet hat. Es zeigt uns Lesern/Hörern, wie viele Krankheiten es gibt, zu selten, dass man davon gehört hat, und doch vorhanden. Und was macht so eine Krankheit das Kleine Levin Syndrom kurz KLS mit den erkrankten jungen Männern, die die Symptome des KL-Syndroms meist im Jugendalter bekommen. Die Autorin hat kein Sachbuch geschrieben, kein Aufklärungsbuch für junge Leute, damit diese nun sogar Lesen können, was sie für eine Krankheit genau haben, was die Ärzte und Wissenschaftler bereits über sie wissen, was man tun kann, und natürlich Adressen mit Selbsthilfegruppen. Uupps, wird schwierig, es gibt ja zu wenige Kranke für eine Selbsthilfegruppe. 

Das macht die Erkrankten zu etwas Besonderem, lässt sie hilflos zurück durch ihr ungewolltes Anderssein. Und genau das will fast kein Teenager und Jugendlicher auf der Welt Anderssein als die Gleichaltrigen anders als die Eltern, Lehrer ja, aber nichht anders als die Peer-Group. Und genau diese Gefühlslage kann uns Nicht-erkrankten ein Sachbuch nicht vermitteln. Dafür braucht es Menschen, Protagonisten in einer Geschichte, die uns die Tragweite solch einer Erkrankung vor Augen führen. Und das macht dieses Jugendbuch. Besonders durch das Gegenüberstellen der uns allen bekannten Probleme, Hindernisse, Schwierigkeiten, die wir hatten beim Erwachsen werden, dargestellt durch die Freundschaft von Althea und Oliver, und wie sie sich entwickelt in den letzten beiden High-School-Jahren. 

Kein typischer Jugendroman über die gefühlvollen Wirren des Erwachsenwerdens. Man empfindet es, als Ein Nebeneinander-her-Leben der beiden Hauptprotagonisten Althea und Oliver, während Oliver schläft. Das dauernde vor-sich-her-Schieben dem Anderen seine Liebe zu gestehen wird durch die Schlafperioden von Oliver, seine Abwesenheit, noch schwieriger für Althea damit zu gehen. Schwieriger, als es für andere Gleichaltrige in ähnlicher Situation wie Althea schon ist. 

Und dann ist da Oliver. Für ihn ist eines unwiederbringlich verloren - die "verschlafene" Zeit. Erlebnisse in seinem Umfeld, die Oliver im Schlaf verpasst hat, sie sind einzigartig, kommen nicht mehr zurück. Er kann die Erlebnisse nicht mehr zurückholen. Und was macht das mit einem Menschen, besonders wenn man die Welt und was man erleben will vor sich sieht? Sich ihr stellen will, aber immer wieder umgeworfen, zurückgeworfen wird, in dem man schläft. 

 

Ohne diese Wellen des Schlafes, die Oliver überrollen, wäre der Roman/das Hörbuch Zwillingssterne eine typische Jugendgeschichte zwischen Freundschaft und Liebe. Kein Grund den zigsten Roman dieses Genres zu lesen. Doch Zwillingssterne ist total anders. Und auch das Ende natürlich verrate ich es nicht ist so nachhaltig in meinem Gedächtnis verankert, nicht kitschig gar theatralisch, sondern poetisch realistisch. 

Das Buch ist für Leser ab 14 Jahre mehr als geeignet.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kommentare

Leschen kommentierte am 02. November 2014 um 14:54

Rezension bezieht sich auf das Hörbuch.