Rezension

Ein Jugendroman, wie er sich gehört

17 Erkenntnisse über Leander Blum - Irmgard Kramer

17 Erkenntnisse über Leander Blum
von Irmgard Kramer

Bewertet mit 4 Sternen

So muss ein Jugenroman sein: unverblümte, frische Sprache, eine unvorhersehbare Handlung, tiefe Gefühle, die erste Liebe, die beste Freundschaft, eine Thematik, die durch Illegalität reizt, ohne zu gefährden, Konflikte mit den Eltern und ein Schluss, der Mut macht, zur eigenen Persönlichkeit zu stehen.

Leander und Jonas sind beste Freunde seit der Kindheit. Fast schon symbiotisch leben die beiden, schreiben die Klassenarbeiten des anderen und sind zusammen auf der Suche nach der perfekten Wand für ihr  Masterpiece. Denn zusammen sind sie BLUX, das coolste Sprayerteam Wiens, doch ihre wahren Identitäten kennt niemand. Wie eine Person mit vier Händen erschaffen die beiden 3D-Illusionen und Kunstwerke, doch im wahren Leben müssen sie ihre nächtlichen Aktivitäten vor Eltern und Lehrern verheimlichen.
Das ist der eine Erzählstrang.
Der andere berichtet von einem Mädchen, das sich in Leander verliebt, der so still und allein neu in ihrer Klasse sitzt. Immer wieder begegenet sie dem eigenbrödlerischen Jungen und fühlt sich zu ihm hingezogen. Irgendetwas ist da bei ihm auch, aber es fällt schwer, Leanders tonnenschwere Deckung zu durchdringen und den verschlossenen Jungen wirklich kennenzulernen.

Die Unterschiede zwischen Leander im einen und Leander im anderen Erzählstrang lassen viele Fragen aufkommen: Wo ist Jonas? Was ist aus BLUX' Masterpiece geworden? Wer ist das Mädchen, das sich in Leander verliebt und was wurde aus Rapunzel, Leanders Schwarm, für den er zum ersten Mal von Jonas getrennte Wege ging? Was ist außerdem dran an der Geschichte um die magischen chinesischen Pinsel, die Jonas so faszinierte?

Als Leander schließlich verschwindet, klären sich alle Fragen in einem fulminanten Finale und beide Erzählstränge kommen zusammen.

'17 Erkenntnisse über Leander Blum' lässt einen noch einmal nachempfinden, dass diese kurze Zeitspanne zum Ende der Schulzeit, wenn man noch nicht genau weiß, wie es weiter geht und man sich noch komplett im System gefangen fühlt, eigentlich die Zeit der größten Freiheit ist: nie wieder ist Liebe so aufrichtig, tief und bedeutsam, wie sie es in diesen Monaten ist, nie ist man selbst wieder so ungebunden und frei, nie stehen einem sämtliche Türen wieder so offen wie zu dieser Zeit. Dafür, dass das Buch mich daran erinnert hat, bin ich Irmgard Kramer zu tiefem Dank verpflichtet. Gerne hätte ich mich an der ein oder anderen Stelle noch mehr berühren lassen, doch ich glaube, dass das Buch dann für die Zielgruppe vielleicht zu emotional geworden wäre.

Der Kniff mit den zwei auf den ersten Blick schwer miteinander zu vereinbarenden Erzählsträngen lässt den Leser direkt eigene Erklärungen suchen und die Geschichte in eigenen Gedanken fortspinnen. Das schafft, ungeachtet der Sympathie, die man für die Hauptfiguren entwickeln könnte, eine Verbindung zum Buch, die es einem auf besondere Art und Weise ans Herz wachsen lässt.

Ein bewegendes Buch vor ganz besonders farbenfroher Kulisse. Ein Einblick in einen Aspekt Jugendkultur und die Verbeugung vor wahrem Talent.