Rezension

Ein junger Klavierstimmer auf Sinnsuche

Der Klang der Wälder -

Der Klang der Wälder
von Natsu Miyashita

Bewertet mit 4 Sternen

Als Tomura einem Klavierstimmer bei der Arbeit in seiner Schule zusieht und zuhört, fühlt er sich in die Bergwälder seiner Heimat versetzt und beschließt, ebenfalls Klavierstimmer zu werden. Doch auch nachdem er die Ausbildung erfolgreich abschließt und eine Anstellung erhält, muss er noch viel lernen und seinen Selbstzweifeln begegnen.

 

Das schöne Cover und die Handlung rund um die Musik konnten mich sofort für „Der Klang der Wälder“ einnehmen. Ich spiele selbst nicht Klavier, aber ein Blasinstrument, und es war nicht schwierig, den Ausführungen zu folgen, wenn es ab und zu um Töne und Akkorde ging.

 

„Der Klang der Wälder“ ist ein coming-of-age-Roman. Eine eher leise, aber sehr poetische Erzählung, die mich vom Stil an andere japanische Autoren erinnert. Die fernöstliche Lebensweise und Kultur ist auch hier präsent: ein respektvoller, etwas distanzierter Umgang mit einander, Verneigungen sowie das Streben nach Perfektionismus und Erfolg. Die Liebe und Zuneigung, die Tomura für Kazune empfindet, wird beinahe nur angedeutet.

 

Der Ich-Erzähler Tomura hat zwar seinen Weg bis zum Klavierstimmer verfolgt, aber das bedeutet nicht, dass er sein Handwerk schon richtig beherrscht. Er muss weiter üben, man sagt 10.000 Stunden lang. Es gibt viele Aspekte, die Tomura berücksichtigen muss: von den Instrumenten, den Räumlichkeiten bis hin zu den Kundenwünschen. Dabei den richtigen Ton zu treffen, das empfindet er als beinahe unmöglich. Tomura ist voller Selbstzweifel, die auch mit seiner Herkunft aus den „rückständigen“ Bergen Hokkaidos zusammenhängen. Ich frage mich, ob eine solche herabsetzende Denkweise mit der japanischen Gesellschaft zusammenhängt oder ob das nur Tomuras subjektives Empfinden ist? Die rauhe Natur und die Wälder seiner Heimat kommen hin und wieder als Motiv zur Sprache, meiner Meinung nach hätte die Autorin dieses Motiv aber noch weiter ausbauen können. Tomura lebt mittlerweile in der Stadt, vermisst er die Wälder oder nicht?

Insgesamt ist bei dem jungen Mann zwar eine Entwicklung auszumachen, aber mir war er insgesamt doch meist zu phlegmatisch.

 

Mir kam es so vor, als seien auch die Klaviere, die gestimmt werden, unterschiedliche Charaktere, so unterschiedlich wie ihre Klangfarbe. Dieser Aspekt gefiel mir sehr gut!

 

„Ich bin nicht begabt. […] Ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass Talent nicht das Entscheidende war, um ein Klavier zu stimmen. […] Erfahrung, Übung, Fleiß, Wissen, schnelle Auffassungsgabe, Beharrlichkeit, und nicht zuletzt Leidenschaft. Damit lässt sich mangelndes Talent wettmachen.“ - „Talent zeigt sich in der Hingabe an die Sache, die man liebt. Darin, nicht lockerzulassen. Man könnte es auch Kampfgeist nennen. […] So jedenfalls denke ich darüber.“ (Seite 128,129).

Dieser Austausch zwischen Tomura und seinem Lehrer Yanagi ist stellvertretend für viele Dialoge und das zentrale Thema der Entwicklung des Protagonisten. Schließlich zeigt Tomura doch das Talent, von dem er nicht glaubt, es zu besitzen. Was hilft ihm über seine Selbstzweifel hinweg? Über diese Gedanken lässt sich bestimmt auch prima diskutieren und mit den Ansichten unserer europäischen Kultur vergleichen. Daher liebe ich es, auch mal Bücher aus anderen Kulturkreisen zu lesen.

 

Zuletzt hat Tomura seinen persönlichen Sinn des Lebens gefunden, in seiner Arbeit und seinem Ziel, Kazunes persönlicher Klavierstimmer zu sein.

 

Fazit: Mir gefielen viele Aspekte dieses kleinen, aber feinen japanischen Romans. Andererseits bleiben einige Fragen offen und die Entwicklung des Protagonisten geschah beinahe quälend langsam. Ich vergebe vier Sterne für die poetische Sprache und die Liebe und Hingabe zur Musik.